Das Jubiläumsjahr 2014 zeigte den bedeutendsten Karl der deutschen Geschichte zu seinem 1200. Todestag in vielen Ausstellungen und Veranstaltungen. Selbst unser Darmstädter Landesmuseum widmete sich ja seiner postumen Glorifizierung bzw. Mystifizierung. Dass er seinen Beinamen nicht irrtümlich trägt, zeigte ein umfassender Vortrag von Wolfram Tischendorf.

Der Frankenkönig und spätere Kaiser des Frühmittelalters glänzte weniger durch seine Statur als durch seine Persönlichkeit und seine Einflussnahme.

Umfassend gebildet und immer lernbegierig kam er frühzeitig zum Regieren und hatte 46 Jahre Zeit, seine Herrschaft zu nutzen. Nur eine Aufzählung kann ihm Genüge tun. Groß war zum Beispiel...

…sein Reich: Schon bei der Übernahme größer als das heutige Frankreich plus Benelux-Staaten reichte es bei seinem Tode von Dänemark bis weit in den italienischen Stiefel.

…seine Kriegslust: Kaum ein Jahr verging, in dem er nicht an Kämpfen gegen die Stämme der Sachsen, Langobarden, Spanier oder Bayern aktiv teilnahm.

…sein Einfluss auf die Schrift und Textwesen: er war Initiator einer besser lesbaren Buchschrift (Minuskel) und baute eine Hofbibliothek auf, die u.a. wichtige antike Handschriften kopierte.

… seine Erlass- und Sammel-Wut: Mit allen Ecken seines Reiches war er in ständigem Briefkontakt und hielt mit einer Flut von Erlassen alles fest unter Kontrolle. Nebenbei ließ er den gesamten Schriftverkehr und die Dokumente archivieren.

… seine Baukunst: Die übers Reich verteilten Pfalz-Bauten sind legendär beeindruckend. Sie dienten Karl dem Großen als temporärer Wohn- und Regierungssitz bei seinen regelmäßigen Visiten und Versammlungen. Die prächtige Marienkirche in Aachen, die Herrn Tischendorf am meisten begeistert, sollte dabei nicht übersehen werden.

…sein Liebesleben: Es war - besser gesagt - äußert „reichhaltig“: aus seinen 5 Ehen gingen 18 legitime Kinder hervor; die Zahl der Maitressen (und weiterer leiblicher Kinder) unübersichtlich, da (wen wundert‘s?) dies nicht so gut dokumentiert ist.

…sowie auch seine Redekunst und sein Hang zu Recht und Gerechtigkeit und seine Münzreform und…und…und.

Umso mehr verblüfft, dass er zwar lesen, aber nicht schreiben konnte. Das tat sein eifriger Biograf und Staatsschreiber Einhard, der es uns, der interessierten Nachwelt, schwarz auf weiß hinterließ.

Nicht vielen Menschen wird entsprechend Macht und Einfluss gegeben wie diesem Carolus Magnus. Doch wie viele Günstlinge des Schicksals vertun die ihnen gebotenen Chancen. So konnten z.B. seine direkten Nachfahren das übernommene Reich nur wenige Jahre aufrechterhalten. So bewahren wir wenigstens die Erinnerung an ihn, dessen Mythos bis heute nahezu ungebrochen scheint.

kpr