Was osteuropäische Haushaltshilfen kosten, wer sie vermittelt und warum sie eine Alternative zum Seniorenheim sind

„Wie wollen wir im Alter leben?“ - so lautet eine Reihe der Aka, in der die unterschiedlichsten Wohn- und Lebensformen für Senioren vorgestellt werden. Diesmal ging es um die Fragen: Was tun, wenn es allein gar nicht mehr geht? Wenn pflegewillige Familienangehörige nicht in der Nähe sind und der Umzug ins Altenheim abgelehnt wird?

Es gibt eine Alternative, die salopp oft „Pflegepolin“ genannt wird. Hubert Steinert hat dieses Modell jahrelang bei der Betreuung seiner Mutter verfolgen können und überwiegend gute Erfahrungen gemacht. Jetzt kam er in die Aka, um darüber zu informieren und sich den zahlreichen Fragen des Publikums zu stellen.

„Privat organisierte Pflegekräfte – eine Alternative zur Heimunterbringung?“ so hieß der korrekte Titel seines Vortrages, denn längst nicht mehr alle Hilfskräfte kommen aus dem nahen Polen, sondern strömen im Zuge der EU-Erweiterung von immer weiter entfernten südöstlichen Staaten – Bulgarien, Rumänien – nach Deutschland. In ihrer Einführung fasste Petra Neumann-Prystaj die wesentlichen Fakten zusammen:

2,5 Millionen Deutsche brauchen zurzeit Pflege, es werden immer mehr. 1995 wurde die Pflegeversicherung eingeführt, die ersten kommerziellen Pflegedienste wurden eröffnet. Für die Rundumpflege einer „multimorbiden“ Person zu Hause bräuchte man 5 Vollzeitkräfte. Die Kosten dafür lägen monatlich im fünfstelligen Bereich, zumindest bei deutschen Fachkräften. Woher nehmen und wie bezahlen? Die Rettung kam von unseren östlichen Nachbarn.

Viele Frauen aus Osteuropa fuhren mit einem Besuchervisum über die Grenze und betreuten die hilfsbedürftigen Senioren: für einen Bruchteil des Geldes, rund um die Uhr und natürlich – schwarz. 2001 griff der Gesetzgeber ein. In Großrazzien in Hessen und Nordrhein-Westfalen wurden über 200 Pflegerinnen aus Osteuropa festgenommen und abgeschoben. Das Problem wurde nun in der Öffentlichkeit diskutiert, gesetzliche Regelungen wurden gefordert .Und einige Zeit später wurde dann tatsächlich das „Entsendegesetz“ verabschiedet, in dem geregelt wird, unter welchen Bedingungen Frauen aus dem Ausland legal als Hilfskräfte in deutschen Haushalten arbeiten dürfen.

Einer der Hilfesuchenden war einige Jahre später Hubert Steinert, der von Beruf gelernter Krankenpfleger ist und heute als Gesundheitsberater und Wohlfühlcoach am Alicehospital arbeitet. Als seine Mutter– wohnhaft im Sauerland, also 400 km weit entfernt – pflegebedürftig wurde und fest entschlossen war, nicht von zu Hause wegzugehen, musste rasch eine Lösung gefunden werden. Und wie informiert man sich auf die Schnelle? Natürlich im Internet. Dort wird man rasch fündig, muss allerdings aufpassen: Nach wie vor gibt es „Schwarzarbeiterinnen“, die preiswert, aber illegal sind. Seriöse Anbieter z.B. in Polen findet man über deutsche Agenturen.

Hubert Steinert ließ sich über eine kostenfreie Hotline beraten. Geklärt werden mussten z.B, die Kompetenznachweise: Wie gut sind die deutschen Sprachkenntnisse (je besser, umso teurer wird es), welche Ausbildung ist vorhanden, sind Kenntnisse in der Pflege da? Aber auch die Ansprüche der künftigen Mitarbeiterin hinsichtlich Internet, Telefon, Freizeit usw. müssen vorab geklärt werden. Und wie teuer ist eine solche Pflegekraft eigentlich? Der Preis, so Steinert, sei abhängig von den Deutschkenntnissen und der Ausbildung. Los gehe es bei etwa 2.000 Euro im Monat. Für eine examinierte Krankenschwester mit sehr guten Deutschkenntnissen müsse aber deutlich mehr bezahlt werden.

Der Darmstädter entschied sich, detailliert aufzuschreiben, was er sich für seine inzwischen leicht demente Mutter wünschte. Die Pflegekraft sollte sich so viel wie irgend möglich um sie kümmern, also weder putzen noch kochen. Mit der Reinigung wurde eine Firma beauftragt, das Mittagessen kam von einem Caterer. In der ersten Woche nahm Steinert sich Urlaub, um die Neue anzuleiten und, wo nötig, zu korrigieren. Danach halfen ausführliche Telefonate mit der polnischen Hilfe weiter. Da jede ausländische Fachkraft nach zwei Monaten ausgetauscht wird, wiederholte sich das Spiel häufiger, sodass sein ganzer Jahresurlaub drauf ging. Was ist am allerwichtigsten? „Die Chemie muss stimmen“, sagt er. In der Anfangphase seien beide Seiten verunsichert, müssten sich an die gestörte Privatsphäre gewöhnen. Wenn es unüberwindliche Schwierigkeiten gebe, sollte man sich trennen. Das sei ihm aber zum Glück nie passiert.

Die alte Dame ist kürzlich gestorben. Sie konnte fast bis zum Schluss persönlich in ihrem eigenen Haus betreut werden, eins zu eins, wie Hubert Steinert es ausdrückt.

Sein Fazit:

Es wird immer mehr ältere Menschen geben.

Sie werden nicht, wie oft behauptet wird, immer gesünder und vitaler werden. Sie brauchen Hilfe.

Die Probleme älterer Menschen haben in der Gesellschaft nicht den Stellenwert, der erforderlich wäre.

Sein Aufruf an alle Älteren: Fangen Sie frühzeitig mit der Planung für das „dritte Lebensalter“ an. Informieren Sie sich, sprechen Sie mit vertrauten Menschen!

Sein Appell an die erwachsenen Kinder: Wenn Sie sich nicht selbst um Vater oder Mutter kümmern können, organisieren Sie eine gute Betreuung! Geben Sie etwas von dem zurück, was Sie jahrelang von den Eltern bekommen haben!

Last but not least die Forderung an alle Politiker: Würdevolles Altern sollte ein Menschenrecht sein. Schaffen Sie dafür die Voraussetzungen!

HB