Die zweitgrößte deutsche Sendeanstalt mit immerhin 3.600 Mitarbeitern liegt im beschaulichen Stadtteil Mainz – Lerchenberg, also weit weg von den Zentren des politischen Geschehens. Doch während der Bus vom Hauptbahnhof zum ZDF gemächliche 20 Minuten braucht, sind die Nachrichten aus aller Welt binnen Sekunden in der Sendezentrale.

Dafür sorgen 16 Inlands- und 14 Auslandsstudios. Was alles vorher passieren muss, damit wir abends Claus Kleber im heute-journal sehen, erfuhren 20 Aka-Mitglieder hautnah in einem von Jürgen Sotscheck sehr gut organisierten Tagesausflug in die Fernsehwelt.

Nachmittags, kurz nach 17:00 Uhr. Im Studio 3 herrscht das übliche Gewusel vor einer Live-Sendung. In wenigen Minuten fällt der Startschuss für „Hallo Deutschland“, das übrigens, wie man spätestens am nächsten Morgen erfahren kann, einen Marktanteil von 13,9 % und eine Einschaltquote von 1,89 Millionen Zuschauern hat.

Die Ruhe selbst ist Moderatorin Lissy Ishag, die für ihre Überleitungstexte eigens aus Paderborn angereist ist. Auf hauchdünnen Bleistiftabsätzen stöckelt sie zur Besuchergruppe aus Darmstadt, begrüßt sie freundlich, streicht sich eine Locke aus der Stirn und nimmt einen Schluck Wasser. Um sie herum schwillt die Tonlage an. „Aaachtung“ verkündet der Aufnahmeleiter, „noch eine Minute.“ Die Kamerafrau bringt sich in Stellung, links oben inmitten der unzähligen Scheinwerfer, die von der Decke hängen, tickt der Sekundenzähler rückwärts, rechts oben geht der rote „Ballon“ an. Wir sind auf Sendung. Lissy begrüßt ihr Publikum, sagt zwei Sätze zur Überleitung für den ersten Beitrag an und verschwindet wieder vom Bildschirm. Denn jetzt wird der erste Film über einen tragischen Unfall im Ferienpark gezeigt. Insgesamt werden wir in dieser Sendung acht Beiträge in 35 Minuten sehen. Die attraktive Moderatorin liest dazwischen immer wieder ihre Texte von einem Teleprompter ab, trinkt einen Schluck Wasser aus einem Glas, das anschließend von einem Praktikanten sofort wieder entfernt wird, empfängt Tipps für die widerspenstige Locke in der Stirn von der Maskenbildnerin, fragt die Regie noch mal wegen einer Textformulierung, wandert vom Stehpult zum roten Sofa, wo die Kamera nun auch ihre Beine filmt und verabschiedet sich auf die Sekunde genau mit einem Scherz über das knuddelige Eisbärbaby im letzten Beitrag, ehe sie an ihre Kollegin Karen Webb in München übergibt, die dort im Studio auf ihre Sendung „Leute heute“ wartet.

Das Darmstädter Publikum, das sich übrigens mustergültig verhielt und während der Live-Beiträge weder hustete noch schwätzte, war beeindruckt: So viel Arbeit, so viele Mitarbeiter, so viel Präzision für ein Boulevardmagazin, das die meisten ja nur „so nebenher“ sehen, beim Bügeln zum Beispiel oder beim Durchblättern der neuen Gartenkataloge. Acht Beiträge, das bedeutet: Acht Teams, die mehrere Stunden gearbeitet haben, um ein Filmchen von maximal drei Minuten zu produzieren. Ein halbes Dutzend Mitarbeiter im Studio und  noch einige mehr, die das alles vorbereitet haben und jetzt dafür sorgen, dass es in die deutschen Wohnzimmer störungslos übertragen wird. Wenn das, was wir hier im „kleinen Format“ gesehen haben, schon so arbeitsintensiv ist, wie mag das dann bei den Großformaten aussehen, die Millionen Zuschauer anlocken?

Die Frage wurde uns gleich zu Beginn des Besuchs beantwortet. Claus Kleber und sein Team vom Heute-Journal zeigten in einem spannenden Film, was passiert, ehe die Nachrichten  um 21:45 Uhr auf Sendung gehen. Morgens um halb zehn, also gut 12 Stunden vor Beginn findet das erste „Themen-Brainstorming“ statt. Dann folgte die erste Schaltung ins Hauptstadtstudio Berlin. Welche Themen stehen an? Diesmal geht es um die Verschärfung der Sicherheitsgesetze. Es wird geklärt, wer interviewt werden soll. Die Außenredaktionen werden dazu geschaltet. In jeder Landeshauptstadt gibt es ein ZDF-Studio. Was ist gerade aktuell? Welches Thema schafft es in die renommierte Nachrichtensendung? Hier geht es zum einen darum, harte Fakten zu recherchieren, zum anderen aber auch, Geschichten zu erzählen“, die bis zu vier Minuten dauern könnten, „wenn's was hergibt“ betont Kleber. Immer neue Themen tauchen auf, dazwischen beginnt die Arbeit an den Nachrichtenblöcken. Später – wegen der Zeitverschiebung – melden sich auch die Auslandskorrespondenten. In 18 Städten gibt es sie – weltweit, in allen Erdteilen. Neben den fest eingeplanten Beiträgen müssen auch „Ersatzteile“ gedreht werden, falls der eine oder andere Film nicht rechtzeitig fertig wird.

Die heiße Phase beginnt um 20:30 Uhr mit dem Umzug ins Großraumbüro. Viele Beiträge werden erst in letzter Minute fertig. Die Schlussredakteurin muss vor allem eines bleiben: gaaanz ruhig!

Moderatorin an diesem Abend ist Marietta Slomka. Auch bei ihr gilt: Gutes Aussehen ist wichtig, auch und gerade in einer Nachrichtensendung. Deshalb verschwindet die Redakteurin um 21:15 Uhr in der Maske, wo sie fernsehtauglich geschminkt wird.

Und dann geht’s in die Tonkabine. Ab jetzt läuft der Countdown. Die Regie kann Slomka jederzeit etwas „ins Ohr sagen“, auf ihrem Laptop gehen Änderungen bis zum Schluss ein, der Teleprompter steht vor ihr – jetzt ist die Fähigkeit „Multi-Tasking“ gefordert. Die sie und alle anderen Moderatoren der großen Nachrichtensendungen unbedingt beherrschen müssen. Dass dies der Fall ist, können die Zuschauer fast jeden Abend  verfolgen, denn souverän lenken Kleber, Slomka & Co durch die Sendung, genau wie ihre Kollegen von den Tagesthemen der ARD.

Dass dahinter die gelungene Mannschaftsleistung eines riesigen Teams steht sowie eine Vorbereitung von  über 12 Stunden – das macht sich wohl kaum ein Zuschauer klar. Die Besucher der Aka wissen es jetzt und werden gelegentlich daran denken, wenn es heißt: „Guten Abend, meine Damen und Herren.“

Für alle, die an diesem gelungenen Ausflug in die Fernsehwelt nicht teilnehmen konnten, weil sie auf der Warteliste standen, gibt es eine gute Nachricht: Jürgen Sotscheck wird auch im nächsten Semester den Trip nach Mainz-Lerchenberg wieder anbieten.

Text: Heidrun Bleeck / Fotos: Jürgen Sotscheck