aka fahrrad 2016 170Schimpfe und Lob für die Stadt
Die Lebenswelt Stadt orientierte sich in der Nachkriegszeit am Statussymbol Pkw. Insofern wurde auch in Darmstadt das Straßennetz autogerecht angelegt. Mit Beginn des 21. Jh. ändert sich diese Einstellung langsam aber stetig, nur, die heutigen Stadtplaner können die Straßen nicht einfach abreißen und neu bauen.

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Astrid Tschann, die Referentin für städtebauliche Aufgaben, verwies auf den Masterplan 2020/30, der gerade im Februar gestartet ist. Ein Umdenken habe stattgefunden. Viele von den engagierten Veranstaltungs-Besuchern genannten Missstände brauchen bis zu ihrer Behebung noch unbestimmte Zeit. Mehrfach fiel der Begriff „Flickschusterei“, was die Referentin nicht entkräften konnte, sondern zu erklären versuchte. Dass der Radwegeausbau in Darmstadt viele Jahre vernachlässigt wurde, sei offenkundig. Ein Radwegenetz sei erst teilweise vorhanden; den aktuellen Radwegestadtplan hatte sie mitgebracht. Im Vergleich zu anderen Großstädten (z.B. Freiburg, Münster) fehlen in Darmstadt vor allem erkennbare Nord-Süd- oder Ost-West-Achsen für die Radfahrer. Dazu war zu erfahren, dass die Hinweisschilder eh nur für ortsfremde Durchfahrer gelten sollen und die Einheimischen sich sowieso persönliche Routen über Nebenstraßen für ihre Ziele suchten.

Als weiterer Experte saß Thomas Graen im Podium, der Vorsitzende und Sprecher des ADFC Darmstadt/Dieburg. Für ihn hat sich in der Zeitspanne 2012 bis 2014 das Profil Darmstadts überraschend verändert, was er auf zwei Faktoren zurückführt: Zum einen demonstriert der Oberbürgermeister Jochen Partsch ein bemerkenswertes Interesse am Radfahren, indem er auch konsequent seine Ortstermine mit dem Dienstrad anradelt. Dies von der Bevölkerung beobachtbare Verhalten stärkt seine Glaubwürdigkeit als „Grüner“ Politiker und gilt für die gesamte Stadtregierung als vorbildhaft. Zweitens habe die Stadt mit der etwas spektakulären Einrichtung von Fahrradstraßen mehr öffentliche Aufmerksamkeit für das Thema erzielt als es der praktische Nutzen für die Radfahrer selbst sein kann. Außerdem finden in den letzten Jahren Bürgerbefragungen, Stadtteilforen zur öffentlichen Meinungsbildung sowie Teilhabemöglichkeiten statt, wo auch Radfahrer aktiv sein können. Zwar sei der ADFC noch immer mit dem zu wenigen Platz für Radfahrer im Straßenverkehr unzufrieden, aber mit dem Masterplan 2020/30 bestehe immerhin eine klare Perspektive.

Breiten Raum nahm die Diskussion zum Thema Sicherheit beim Radfahren ein. Es schien ein nicht ausgeschriebener Erzählwettbewerb ausbrechen zu wollen (Tschann:“Großangriff auf die Stadt“), um mehr und weniger stadtbekannte heikle Punkte der Innenstadt mit gefährlichen Situationen zu schildern. Mit Hinweis auf §1 der Straßenverkehrsordnung appellierte Frau Tschann an Vorsicht, Verantwortung und Rücksicht aller Verkehrsteilnehmer, um auch in Zukunft möglichst unfallfrei und menschenwürdig miteinander umzugehen, denn die Innenstadt sei nun mal ein „neuralgischer“ Punkt.

Der Magistrat lädt alle Bürger ein bis zum 24. Mai Ideen und Vorschläge für den Haushalt 2016 einzureichen - ein Termin, den man nutzen könnte, seine Vorschläge zur Verbesserung der Infrastruktur für das Fahrradfahren einzubringen.

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Walter Schwebel / Foto: Kurt Komp v.l.n.r: Thomas Graen (AFCD), Margret Wendling (Moderation), Astrid Tschann (Städtebaureferentin)