Genau die Hälfte der Interessierten, nämlich 25 Teilnehmer, konnte Ingrid Scheffler im Hauptbahnhof zu diesem Tagesausflug begrüßen; die anderen bilden die stattliche Warteliste. Schönes, mildes Sommerwetter beflügelte die Vorfreude in der S-Bahn.

Im Palast angekommen begrüßte uns die quicklebendige Silke Wustmann, deren spritzig-witzige, dennoch kompetent vorgetragenen Informationen uns gleich in den Bann zog:

 

Der italienische, 25jährige Vollblut-Händler Josef Maria Markus Bolongaro hatte sich in Frankfurt auf die Genussmittel Wein, Tee, Kaffee und Tabak verlegt. Allein Schnupftabak war zu jener Zeit groß in Mode und verhalf dem Italiener zu schnellem Reichtum. Um standesgemäß wohnen zu können, ersuchte er die Frankfurter Stadtherren um Bürgerrecht und einen Bauplatz. Aber die Frankfurter verweigerten ihm diese Wünsche, obgleich er durch sein gut florierendes Geschäft kräftig Steuern bezahlte. Bolongaro war halt katholisch und sein allzu großes kaufmännisches Geschick weckte die Vorurteile der Einheimischen. Der dadurch ausgelöste Ärger Bolongaros wurde auch dem Mainzer Kurfürst Emmerich bekannt, der ihm daraufhin ein Grundstück, das gesamte Baumaterial und 20 Jahre Steuerfreiheit auf dem Areal der aufstrebenden neuen Stadt Höchst, die landläufig „Emmerichstadt“ genannt wurde, schenkte.

 Innerhalb von drei Jahren von 1772 bis 1775 stellte nun Bolongaro das „Schloss“ nach italienischem Muster mit 300 Zimmern, einem Bad (!) mit Marmorwanne und vielen Gruppenräumen fertig. Schloss“ ist der Name nur in den Bauplänen; die Höchster faden die Bezeichnung Palast passender. Natürlich gefiel dem selbstgefälligen und stolzen Italiener, es den Herren in Frankfurt „zu zeigen“ indem er zwei orientalische Pavillons und einen kunstvollen Teich in den Garten setzen ließ. (Einer der beiden Pavillons dient heute als Standesamt.) Unter die Rokoko Motive mischte er versteckte Symbole und exotische Extras. Auch um den Dachreiter Pelikan ranken einige Geschichten, die unsere Führerin genüsslich erzählte. Sie hatte im Rahmen ihres Studiums der Geschichte vertieft über Bolongaro gearbeitet und wusste pikante Anekdoten aus seinem Briefwechsel, über das Haus, den Garten und die bekanntesten Zimmer, von denen wir einige besichtigen konnten: den Audienzsaal, den Kapellensaal und den Sehnsuchtsraum, in dem der damalige Besitzer seiner Heimat nachträumte.

Mit besonderem Interesse folgten wir Frau Wustmann in das (sehr kleine) gemeinsame Schlafzimmer von Markus Bolongaro und seiner Ehefrau, einer Frankfurterin. (Heute hält dort der Frankurter OB Peter Feldmann seine Bürgersprechstunden ab.) Nach dem Tod der beiden (die Ehe blieb kinderlos) hatte der Palast keine gute Zeit. Die Erben wirtschafteten schlecht, in das stolze Anwesen teilten sich zeitweise über100 Mieter und Käufer. Als Höchst 1928 ein Vorort von Frankfurt wurde, war die Großstadt für das weitere Schicksal zuständig. Walter Kolb ist einer der Oberbürgermeister, die dort residierten. Die nachgewiesenen Übernachtungen von Napoleon und Graf v. Blücher sind mühsame Versuche, den Glanz des Palastes ein wenig aufrecht zu erhalten. Die letzte Sanierung fand 1980 statt. Eine bald notwendige Gesamtsanierung würde eine so große Summe verschlingen, dass nach Ansicht von Kundigen das Projekt wohl noch einige Zeit verschoben werden muss.

Zur Lage: Der romantische Terrassengarten hat als natürliche südliche Begrenzung den ruhig vorbeiziehenden Main, unweit der Stelle an dem die Nidda zufließt. Mit der Mittagsrast „Zum Bären“ am Schlossplatz und einem Bummel in der Höchster Altstadt fand der Ausflug einen würdigen Abschluss.

Bericht: Walter Schwebel / Foto: Ingrid Scheffler