Aktuell erkrankt in Deutschland eine von acht Frauen an Brustkrebs, informierte Frau Dr. Petra Bolkenius, Oberärztin in der Frauenklinik und Zentrumskoordinatorin des Brustkrebszentrums Klinikum Darmstadt bei einem Vortrag der Aka55plus im Offenen Haus.
Nachdem durch das breite Erfassen im Mammografie-Screening die Zahl der Neuerkrankungen in den vergangenen Jahren gestiegen war, ist jetzt ein leichter Trend zu sinkenden Zahlen festzustellen. Rund ein Drittel der erkrankten Frauen ist jünger als 55 Jahre. In nur etwa 5% aller Fälle entsteht Brustkrebs durch eine erbliche Veranlagung.
Notwendige Untersuchungen zur Diagnose sind Tastuntersuchung, Ultraschalluntersuchung, Mammografie. Die Mammografie gilt noch immer als wirksamste Methode, um Brustkrebsvor- stufen und Brustkrebs zu erkennen. Die Ultraschalluntersuchung (Sonografie) ist eine wichtige Ergänzung, aber keine Ablösung der Mammografie. In der Brustsprechstunde des Klinikums Darmstadt spielt die Sonografie eine zentrale Rolle, betonte Frau Dr. Bolkenius. Aber nur die Untersuchung entnommener Gewebezellen (Biopsie) unter dem Mikroskop kann endgültig Klarheit darüber geben, ob ein Tumor gut- oder bösartig ist.
Die Therapie basiert auf: Operation (brusterhaltende Therapie, Brustamputation,) Strahlentherapie, Systemischer Therapie (Antihormontherapie, Chemotherapie, Immuntherapie). Die Therapie ist abhängig vom Alter der Patientin, von der Tumorart und seiner Aggressivität, von Tumorgröße und Brustgröße. Befall der Lymphknoten, Vorhandensein von Hormonrezeptoren oder von Her2/neu Rezeptoren sind Faktoren, die die individualisierte Therapieentscheidung bestimmen. In interdisziplinären Tumorkonferenzen wird im Klinikum eine maßgeschneiderte Therapie festgelegt bzw. den Patientinnen empfohlen. Aktuell wird im Klinikum bei mehr als 80% der erkrankten Frauen brusterhaltend operiert. Frau Dr. Bolkenius erklärt, dass die brusterhaltende OP mit anschließender Bestrahlung nach den vorliegenden Studien genauso sicher ist wie eine Brustentfernung.
Ziel einer Chemotherapie ist die Abtötung von Mikrometastasen und gestreuten Tumoreinzelzellen. Wer braucht nun wirklich eine Chemotherapie? Bei betroffenen Frauen gehen die Aussagen zur Chemotherapie von: „Das tue ich mir nicht an“ bis „Ich will auf Nummer sicher gehen“. Wie kann der Nutzen genauer festgestellt werden? Wann steigt das Rezidivrisiko? Viele Faktoren sind noch unbekannt, auch wenn die Forschung ständig Fortschritte macht. Genanalysen von Brustkrebszellen führten zu einer Einteilung in vier genetische Brustkrebstypen. Studien zeigten, bei welchen dieser Typen eine Chemotherapie angeraten wird.
Mehr und mehr wird zuerst eine Chemotherapie gegeben und dann erst operiert. Wo liegen die Vorteile dieser primären Chemotherapie? Eine Brusterhaltung ist eher möglich, Erhaltung der „Therapietreue der Patientin, Individualisierung der Therapie, Abbruch einer ineffektiven Behandlung“ ergänzen laut der Referentin die Vorteile. Große Bedeutung für die individuelle Therapieentscheidung haben genetische Untersuchungen. Ziel der Genforschung ist es, bestimmte Abschnitte im Erbmaterial genauer zu charakterisieren und Aufschluss über die individuellen biologischen Eigenschaften des jeweiligen Tumors zu erhalten, um die Behandlung noch besser auf die ganz persönlichen Voraussetzungen der einzelnen Patientin zuschneiden zu können. Durch eine Genanalyse (z.B. Oncotype DX) des befallenen Gewebes kann bestimmt werden, wie die Prognose für die nächsten 10 Jahre ist. Ist dieser "Recurrence Score-Wert" hoch, so ist eine Chemotherapie angebracht. Bei niedrigen Werten kann sie der Patientin erspart bleiben. Schwieriger wird es bei Werten im mittleren Bereich. Dabei spielt auch das Alter für die Entscheidung eine wichtige Rolle. Eine Genanalyse ist sinnvoll, wenn man eine Chemotherapie reduzieren oder vermeiden will, auch wenn die Kosten bei 2000 bis 3000€ liegen. In Deutschland wird der Test noch nicht automatisch erstattet, aber es gibt Kriterien, die die Krankenkassen akzeptieren und die Kosten übernehmen.
Informationshinweis: Am Donnerstag, 20.10.2016 findet im Klinikum Darmstadt zu dem Thema ein Informationsabend für Betroffene und Interessierte statt. Näheres ist der Presse zu entnehmen.
Sigrid Geisen