indizien pbNicht aktuelles Geschehen war Thema dieser Stadtführung, sondern historische Tatsachen. Ingrid Scheffler lud zu historischen Schauergeschichten ein. Da war schon allerhand los in der Vergangenheit der Residenzstadt. Im Angesicht der Justitia begann die Stadtführerin Dr. Gerlinde Gehring auf dem Mathildenplatz ihre Ausführungen mit der Schilderung des Mordes an der sozial engagierten Gräfin Emilie von Görlitz im Jahre 1847.

Grausam war die Beschreibung der Leiche und der Todesursache „Selbstentzündung“. Dieser Unsinn von „Selbstentzündungen“ musste aber erst wissenschaftlich widerlegt werden, u.a. von Justus Liebig.

Kommissar Zufall kam zu Hilfe und in einem erdrückenden Indizienprozess wurde klar: Raubmord, begangen von Johann Stauff, einem Kammerdiener am Hofe. Er erwürgte die Gräfin, um an Geld und Schmuck zu kommen, legte aus Möbeln und Teppichen einen Brand. Der Diener wurde zu lebenslanger Haft verurteilt, die Todesstrafe war gerade ein Jahr vorher abgeschafft worden, leider nach Meinung des Richters. Es war die erste öffentliche Gerichtsverhandlung im Großherzogtum, ein Aufsehen erregender Mammutprozess im Ballsaal des Darmstädter Hofes. Stauff gesteht nach einem Jahr im Gefängnis seine Schuld ein und wird 22 Jahre später »zur Ausreise in die USA« begnadigt.

Ein Meuchelmord 1816 war Thema vor dem ehemaligen Hoftheater, heute Staatsarchiv: Die hinterlistige Ermordung des Druckereigesellen und Wucherers Lebrecht durch den verschuldeten Schustergesellen und Soldaten Johann Philipp Schneider. Der Mord, der darauf eingeleitete

Prozess und die Hinrichtung des Verbrechers haben deutliche Spuren hinterlassen in Georg Büchners Drama Woyzeck.

Die nächste Station auf dem Weg durch das kriminelle Darmstadt war die Rundeturmstraße. Bis ins 18.Jahrhundert wurden die Gefangenen in Darmstadt in Torhäusern und Stadttürmen untergebracht, später stand hier in einem Stockbau das älteste Gefängnis der Stadt, die Haftbedingungen veränderten sich jedoch wenig. Berühmter Gefangener in der Rundeturmstraße war Pfarrer Friedrich Ludwig Weidig, Weggefährte Georg Büchners. Wegen Hochverrats war er seit 1834 in Darmstadt inhaftiert und galt als äußerst unbequemer Häftling. Nach offiziellen Angaben nahm sich Weidig 1837 das Leben („feiger Selbstmord“), die Ereignisse um seinen Tod blieben jedoch geheimnisvoll. Georg Büchners jüngster Bruder Alexander veröffentlichte in der Zeitschrift Der Jüngste Tag, eine Kriminalgeschichte, in der er den Darmstädter Richter Georgi des Mordes an Weidig beschuldigte.

Betrug, Raub und Brandstiftung an vielen Ecken der Altstadt. Der heute friedlich erscheinende Marktplatz war früher Richtstätte und Folterplatz. Zauberinnen und Zauberer wurden als Hexen verfolgt und hingerichtet, belegt sind 37 Fälle in der Regierungszeit von Landgraf Georg von Hessen Darmstadt bis zum Verbot der Hexenverfolgung. Fazit: Das Leben in Darmstadt konnte in der Vergangenheit schon sehr aufregend und gefährlich sein.

Sigrid Geisen