Aka-Ausflug nach Mainhattan mit einem ganz entspannten Stadtführer

Frankfurt liegt vor Darmstadts Haustür und ist ziemlich oft das Ziel von Aka-Ausflügen. Deshalb könnte man annehmen, dass die Mitfahrenden schon so ziemlich alles über die kleine Großstadt wissen. Aber Stadtführer Michael Luh schaffte es, ihnen vielleicht schon Bekanntes in einer anderen Form nahezubringen. Sein Rundgang war für „Geschichtsmuffel“ konzipiert, und tatsächlich kam er fast ganz ohne die Nennung von Geschichtszahlen aus. Stattdessen beschrieb er die Historie Frankfurts mit Anekdoten und Geschichten.

Der Rundgang begann auf dem Römerberg, der Keimzelle der Messestadt, die heute 46 Messen pro Jahr ausrichtet. Die verkehrsgünstige Lage der Stadt zieht damals wie heute die Händler an. Ab dem 12. Jahrhundert verkauften sie ihre mitgebrachten Waren drei Wochen lang im Herbst auf dem Römerberg und mieteten sich während dieser Zeit in den umliegenden Häusern ein. Im Parterre wurde die Ware gestapelt. Das waren die ersten „Messehallen“. Gehandelt wurde in Holzbuden, die vor den Häusern standen.

 Hausnummern gab es nicht, weil aber in dem Gebäude, das heute als Römer bekannt ist und damals eines der prächtigsten war, meistens italienische Kaufleute wohnten, wurde es im Volksmund bald Römer genannt – denn mit Italien verband man wenig, aber sehr viel mit dem Papst, dem Vatikan und Rom.

Weil das alte Rathaus zu klein geworden war, kaufte die Stadt 1405 den Römer und erwarb im Lauf der Zeit elf weitere umliegende Häuser dazu. Der Balkon wurde im 19. Jahrhundert angebaut.

Am 22. März 1944 zerstörten Brandbomben die größte und schönste deutsche Fachwerk-Altstadt Deutschlands: 2000 Häusern zwischen Dom und Römer. Achtzig Prozent der Innenstadt lagen in Trümmern. Beim Wiederaufbau hätte die alte, in Sicherheit gebrachte Fassade des Salzhauses an der Ecke des Römers wieder angebracht werden können – aber die nach vorn blickenden Stadtväter entschieden sich für eine neue Fassade im 50ger-Jahre-Stil, die inzwischen unter Denkmalschutz steht. Und das ist jetzt der Grund, warum die historische Fassade auch weiterhin ein Kellerdasein fristen muss.

Dem ersten investigativen Journalisten Frankfurts hat die Stadt ein Mini-Denkmal am Römergebäude gewidmet: Friedrich-August Müller-Renz, der für ein lokales Wochenblatt schrieb, hatte 1856 in einem nicht befeuerten Ofen sitzend, geheime deutsch-französische Verhandlungen im Römer belauscht.

Einen der Innenhöfe des Römers schmücken Mosaikbilder mit Motiven einer Weinlese. Sie erinnern darin, dass Frankfurt ein Weinbauangebiet war, zumindest bis 1501. Diese Tradition wird noch immer auf dem Lohrberg gepflegt – er gilt als östlichster Teil des Weinanbaugebiets Rheingau.

Nach dem Krieg hatte Oberbürgermeister Walter Kolb die zerstörte Paulskirche mit einem Plenarsaal wiederaufbauen lassen. Er hoffte nämlich, dass Frankfurt die neue Bundeshauptstadt werden würde. Zu seiner Enttäuschung entschied man sich für das unscheinbare Bonn. 1963 hielt dort John F. Kennedy eine Rede, einen Tag, bevor er in Berlin sein berühmtes Bekenntnis „Ich bin ein Berliner“ ablegte.

Das Rapunzelgässchen hinter der historischen Häuserzeile am Römerberg hat nichts mit dem gleichnamigen Märchen zu tun. Rapunzel wird auch der Feldsalat genannt, den die Marktfrauen – nebst anderen Salaten und Gemüse – in einer dunklen schmalen Gasse anboten, damit er nicht in der Sonne schwitzte.

Mit der Madonna am „Steinernen Haus“ hat es eine besondere Bewandtnis. Der Sage nach hat der Steinmetz mit dieser Figur eine Tochter des Besitzers verewigt, in die er verliebt war, die er aber nicht heiraten durfte.

In der Saalgasse präsentierte der Stadtführer den Aka-Mitgliedern besondere Häuser mit den Ausmaßen der Altstadthäuser, schmal und hoch. In dieser Straße kamen jene Architekten zum Zuge, die beim Wettbewerb um die historische Römerberg-Häuserzeile abgeblitzt waren. Besonders schön: das rote „umgedrehte“ postmoderne Haus mit den Fabelwesen im Giebel.

Der Dom, das sechste Steingebäude auf demselben Grundstück, ist streng genommen gar keiner, weil Frankfurt nie ein Bischofssitz war. Es ist vielmehr ein Ehrentitel für die Stiftskirche St. Bartholomäus, weil dort so viele Kaiser gewählt wurden. Die charakteristische Spitze krönt den Turm erst seit 1866/67. Als die Bodenheizung eingebaut wurde, fand man in einer Kapelle die Leiche eines kleinen Mädchens, das wohl um 680 gestorben war, mit prächtigem Grabschmuck.

Schnell warfen die Ausflügler noch einen Blick auf die neu entstehende Frankfurter Altstadt, die 2018 fertiggestellt sein soll, und durchquerten die Kleinmarkthalle mit ihrem überwältigenden Angebot an Lebensmitteln und Blumen. Vorbei am ersten Parkhaus Deutschlands an der Hauptwache, 1956 eröffnet, ging es durch das Foyer der Commerzbank zum Maintower. In 200 Metern Höhe genossen die Aka-Mitglieder bei Windstille und mildem Sonnenschein den Ausblick über die Stadt und alle Wege, die sie mit Michael Luh zurückgelegt hatten.

Petra Neumann-Prystaj