Zwei Highlights an einem Tag
Der Bus brachte uns zunächst nach Lißberg, einem kleinen, aber feinen Ort zwischen Nidda und Büdingen, und seit 1990 mit einem bedeutenden Museum in der ehemaligen Schule: das weltgrößte Drehleier- und Dudelsack-Museum. Dort finden sich Exponate auf engstem Raum unter dem Thema „Die Entwicklung der Musikinstrumente von Michael Prätorius(1571-1621) bis heute“. Das Museum wurde von dem Frankfurter Instrumentenbauer und - sammler Kurt Reichmann gegründet. Die Ausstellung ist nach Instrumentenfamilien gegliedert.
Mit ansteckender Begeisterung führte uns Ullrich Ritter, ein Chemiker mit dem Hobby Musikinstrumentenmuseum, durch den mit vielen Schätzen vollgestopften Raum. Über der Tür der Flötenhimmel, eine große Anzahl verbohrter Flöten. Nun aber zu den wohlklingenden Instrumenten. Die Entwicklung der Flöten veranschaulichte Herr Ritter durch verschiedene Klangproben an ausgewählten Beispielen aus Geschichte und Gegenwart. Die Flöten selbst, wie auch die Rohrblätter sind aus ganz unterschiedlichen Materialien. Es wurden und werden immer neue, auch moderne Werkstoffe ausprobiert, wie z.B. geschliffene Joghurtbecher für das Flötenblatt.
Den Mittelpunkt der Ausstellung bildet eine bedeutende Drehleier- und Dudelsacksammlung mit rund 130 Exponaten. Hochinteressant ist die Geschichte des Dudelsacks, der keineswegs aus Schottland kommt. Es war ein z.B. das Instrument der Schafhirten in Italien. Erstaunt hörten wir, dass die Kirchenorgel ein mechanisierter Dudelsack ist. Bordune (langgezogener Halteton), die eine Melodie als Stütze begleiten, finden sich bei beiden Instrumenten. Den Dudelsack gab es im klassischen Altertum, aber auch in Fernost, Indien und Afrika.
Neben originalen Objekten gibt es viele spielbare Nachbauten. Zu den Raritäten zählen in der Ausstellung Dulcaina, Bassanello und eine Orgelleier, wir bestaunten auch Harfen, Zithern und Lauten.
Seit der Renaissance bis zur heutigen Zeit werden französische Drehleiern gebaut, deren Glanzzeit im 18. Jahrhundert lag, als das Instrument der Bauern und fahrenden Leute bei Hofe beliebt wurde.
In der Wetterau waren die Drehleiern im 19. Jahrhundert verpönt. Sie galten als Instrument der „Hurdy-Gurdy-Girls“, der Drehleierhuren, „die im 19.Jahrhundert nach Amerika auswanderten, um der Armut in Hessen zu entfliehen, oft aber in den Saloons und Bordellen Kaliforniens landeten.“ Ullrich Ritter, der selbst schon eine Drehleier gebaut hat, erfreute uns mit einem Drehleierkonzert. Aber noch nicht genug der Besonderheiten.
In Lißberg steht das einzige spielbare „Nürmbergisch Geigenwerck“ (cembaloartiges Tasteninstrument) der Welt. Wir konnten es nicht nur in Augenschein nehmen, sondern auch seinen Klang bewundern. Eine Teilnehmerin, Margit Pietsch, spielte Stücke von Bach und Händel wirklich beeindruckend.
Die Fahrt war von Mika Dietrich und Norbert Irgang bestens organisiert. Und dazu gehörte auch ein stärkendes Mittagessen in der Hessenstube in Eckhartsborn, bevor es zum nächsten Highlight des Tages ging: der 2011 eröffneten Keltenwelt am Glauberg. Dieses Museum ist wirklich etwas Besonderes, nicht nur das in den Vogelsbergbasalt hineinreichende Gebäude, auch der tolle Ausblick und der Archäologische Park.
Scherben, Scherben, Scherben waren der erste Eindruck. Kein Wunder, wurde doch bei den Ausgrabungen eine Fläche von 320 Fußballfeldern gründlich untersucht. Die ausgegrabenen Funde gaben ein Bild von der Siedlung auf dem Glauberg, die am Rande einer fruchtbaren Landschaft lag. Der Glauberg wurde bereits in der Jungsteinzeit von Menschen besiedelt. Frau Zeidenitz begleitete uns durch die Ausstellung und erzählte begeistert von den Ausgrabungen, dem Leben der Kelten und den wichtigsten Fundstücken in der Ausstellung. Weltberühmt und einzigartig ist die lebensgroße Statue eines Keltenherrschers aus Buntsandstein und die Funde aus drei keltischen Fürstengräbern aus dem 5.Jahrhundert vor Chr. Neben Waffen und Schmuckstücken waren auch geheimnisvolle Funde und Gegenstände des alltäglichen Lebens zu bewundern. Es wird weiter geforscht, vieles ist noch nicht belegt, bewegt sich im Reich der Spekulationen.. Die Keltenwelt am Glauberg ist auch Forschungsstätte.
Eine informationsreiche, äußerst interessante Exkursion nach Oberhessen.
Sigrid Geisen / Fotos: Werner Nüsseler
> Videofilm vom Musikinstrumentenmuseum Lißberg
> Videofilm von der Keltenwelt am Glauberg