Als „German Doctor“ auf den Philippinen
Beim Ranking der angesehensten Berufe in Deutschland steht regelmäßig der Arzt an der Spitze. Einige der Mediziner aber dürften ihre Kollegen noch toppen, denn sie opfern ihren Urlaub, um Menschen zu unterstützen, die ansonsten keine Hilfe bekämen. Die Gruppe „German Doctors“ zum Beispiel schickt jedes Jahr 340 Ärzte in ferne Länder. Sie bekommen dafür kein Geld und müssen sogar ihren Flug noch zur Hälfte bezahlen. Einer von ihnen, Johannes Johannsen, ist auch im Ruhestand noch in diesem besonderen Ehrenamt tätig. Über seine Erlebnisse auf den Philippinen berichtete er jetzt in der Aka.
Es sind gefährliche Gebiete, in denen sich die „German Doctors“ aufhalten, gezeichnet von Unruhen, Aufständen, Terroranschlägen, Korruption und massiven Menschenrechtsverletzungen. Der deutsche Verein, 1983 zunächst unter dem Namen „Ärzte für die Dritte Welt“ gegründet, entsendet die Mediziner in die Notstandsgebiete von Entwicklungsländern. Sie sind in den Slums von Großstädten oder in abgelegenen ländlichen Gebieten tätig. Ihre Einsatzgebiete sind Bangladesch, Kenia, Sierra Leone und die Philippinen, wohin es Dr. Johannsen verschlug. Über 90 Millionen Einwohner hat dieser Staat, der aus 7107 Inseln besteht. 171 Sprachen werden dort gesprochen. Englisch ist die Amtssprache und wird mittlerweile ab der dritten Klasse in allen Schulen unterrichtet. Der deutsche Arzt allerdings brauchte durchgehend eine einheimische Übersetzerin, denn zu ihm kamen die Ärmsten der Armen – ohne Fremdsprachenkenntnisse.
Auf der Insel Mindanao befindet sich der zentrale Einsatzort der German Doctors. Seit 1985 gab es dort fast 2000 Arbeitseinsätze. Dr. Johannsen arbeitete zusammen mit einem Kollegen in einem Armenhospital auf der Tuberkulosestation. Die medizinische Technik bestand aus einem alten Ultraschallgerät , sonst gab es keinerlei Hilfsmittel. Vor dem einzigen, winzigen Behandlungszimmer drängten sich schon am frühen Morgen die Hilfesuchenden. Über 100 Patienten besuchten täglich die Ambulanz. Auf der Kinderstation war nur Platz für die Mutter der Minderjährigen, andere Familienangehörige schliefen draußen im Freien. Viele der Kinder waren unterernährt und mussten mit einer Spezialnahrung mühsam wieder aufgepäppelt werden.
Hilfe für die Erkrankten gab es jedoch nicht nur im Hospital. In regelmäßigen Abständen fuhr Dr. Johannsen mit der „Rolling Clinic“ - einem alten Landrover – in die abgelegenen Dörfer. Das vierköpfige Team – ein Fahrer, zwei Krankenschwestern und der Arzt – fuhren von einem Dschungelort zum nächsten. Manchmal ging es durch Flüsse. Manchmal an Abhängen vorbei. In den Dörfern, wo zwischen 350 und 2.500 Einwohner leben, gab es viel zu tun.
Das Alter seiner Patienten bewegte sich zwischen 2 und 111 Jahren, berichtet der deutsche Arzt. Alle haben gut kooperiert, wenn sie untersucht wurden. Einige Kinder allerdings seien anfangs schreiend weggelaufen. Die ärztlichen Befunde wurden in einem „Blue Book“ festgehalten, das die Patienten mit nach Hause nehmen durften und beim nächsten Besuch wieder mitbringen mussten. Ging es verloren, gab es eine kleine Geldstrafe.
Neben der Sofortbehandlung galt es auch, Aufklärungsarbeit zu leisten: Informationen zur Familienplanung und Schwangerschaftsberatung vor allem. Es ist ein aufreibender Auslandseinsatz, in dem man mit viel Elend konfrontiert wird. Trotzdem fliegen Jahr für Jahr engagierte Ärzte in die Länder der dritten Welt, um zu helfen.
Auch Dr. Johannsen würde gern noch einmal einen Einsatz tätigen. Bis zum 74. Lebensjahr wird man vom Verein (dessen Kuratoriumsvorsitzende übrigens die Ärztin und Schauspielerin Maria Furtwängler ist) akzeptiert. Die besten Voraussetzungen hat er ja, obwohl das anfangs nicht so aussah, denn der damalige Leiter einer Psychiatrischen Klinik wurde zunächst abgelehnt. Man suchte vor allem Allgemeinmediziner und Kinderärzte, außerdem Chirurgen und Anästhesisten. Doch der Chefarzt hatte gute Karten, denn er hatte auch Fortbildungen in Chirurgie und Geriatrie gemacht. Vor seinem Einsatz erfolgte dann noch ein Repetitorium in Allgemeinmedizin und eine mehrtägige Vorbereitung auf dem Gebiet der 'Tropenmedizin. Den letzten Pluspunkt gab es schließlich für seine Erfahrungen im kinderärztlichen Bereitschaftsdienst. Dann konnte es endlich losgehen mit dem Abenteuer „German Doctor auf den Philippinen“.
Die Aka-Zuhörerschaft war sehr beeindruckt und dankte mit großem Applaus.
Heidrun Bleeck