Manche Menschen sind stark motiviert, in unserer schnelllebigen Zeit Aussterbendes und Unwiederbringliches in Bild und Wort für die Nachwelt festzuhalten. Und dann geraten sie und ihr Werk eventuell selbst bald in Vergessenheit. So ist es (fast) dem Darmstädter Friedrich Maurer und seinem akribisch zusammengetragenen Material über den Odenwald ergangen.
Sanitätsrat Dr. Friedrich Maurer (1852 -1939) war neben seiner Amtsarzt-Tätigkeit ein begeisterter Fernreisender, wandte sich in späteren Jahren überwiegend seiner näheren Umgebung zu.

Verheiratet, aber kinderlos, fand er genug Zeit, ausgiebigst den Odenwald zu Fuß zu durchstreifen. Mit wachen Augen, gezücktem Notizblock und großer Kamera erkundete er Landschaft und Dörfer und beobachtete und fotografierte ihre Bewohner. Dies geschah vor allem in den Jahren vor dem ersten Weltkrieg. Nebenbei sammelte Maurer bäuerliches Hausgerät und typische Werkzeuge der unterwegs angetroffenen Gewerbebetriebe. Der stattliche Doktor mit seinem Vollbart und seiner Ausrüstung (s. Foto) fiel natürlich auf und war überall gut bekannt. Er hielt Vorträge über seine Streifzüge im Odenwaldclub, die offensichtlich sehr begehrt waren; selbst das Darmstädter Tagblatt berichtete darüber.

Zudem gab Maurer ein Buch über seine Beobachtungen heraus, in dem er sich besonders den vielen und meist aussterbenden Berufsständen widmete. Er porträtierte u.a. Schachtelmacher, Knopfdreher, Köhler, Kranzbinder, Siebmacher, Lebkuchenformstecher und Zunderschwammklopfer(!) bei der Arbeit, wenn auch in gestellten Posen. In detaillierten Statistiken über die zurückliegenden Jahrzehnte belegte er zudem die negativen Folgen der Industrialisierung für die Landbevölkerung.

Maurer schenkte seine zusammengetragenen Bauernmöbel und Gerätschaften in den 20er Jahren dem 1909 gegründeten Darmstädter Stadtmuseum. Es war zunächst nahe am Schloss untergebracht und zog später ins Alte Pädagog um. In 7 kleinen Zimmern wurden die Sammelstücke nicht nur zur Schau gestellt, sondern - sehr modern - auch mit erläuternden Texten versehen.

In der Brandnacht ging mit dem Pädagog leider die ganze Sammlung verloren, zudem die umfangreichen handschriftlichen Notizen des Urhebers. Nur ein in der Uni-Bibliothek erhaltener Museumsführer zeigt noch Bilder aus diesen Schauräumen, der sogenannten „Odenwald-Sammlung“.

Was also erinnert jetzt noch an den rührigen Zeugen seiner Zeit, Dr. Maurer? Der Referent Manfred Göbel, Schulleiter und an regionaler Historie interessiert, wusste zu berichten, dass einerseits Maurers Volkskunde-Büchlein 1981 nachgedruckt wurde (ist aber wieder vergriffen). Im Zuge einer geplanten Ausstellung über Ober-Ramstadt wurden 900 Negative von Maurer im Stadtarchiv Darmstadt gefunden. Sie sind jetzt beim Verein für Heimatgeschichte in Ober-Ramstadt verwahrt. Göbel konnte nur etwas unscharfe Reproduktionen der Bilder aus dem Büchlein an die Wand projizieren. Er ist sich aber sicher, dass es lohnen würde, die Original-Negative für Abzüge heranzuziehen. Aber wer will sich dieser Mühe unterziehen - in unserer in der Regel nur nach vorne gewandten Zeit?

Klaus-Peter Reis