Der Leiter des Zentrums für Fremdsprachen an der TU Darmstadt gibt bei einem Vortrag in der Aka ein Beispiel, wie kurios Lebenswege verlaufen können. Während seiner Ausbildung zum Krankenpfleger in Hamburg erkrankte er schwer und musste sein Leben neu planen. Das Studium an der FU Berlin in Erziehungswissenschaft, Deutsch als Fremdsprache und Sinologie schloss er 1994 ab und wollte für 6 Monate in Taiwan arbeiten, wo er bei einem Studienaufenthalt positive Erfahrungen gemacht hatte.

Er blieb - gemäß seinem persönlichen Leitspruch „Wenn du`s nicht machst, wer dann?“ 20 Jahre! Die Arbeit bei der Stiftung Harmony Home in Taiwan und China zeigte ihm eine nicht gekannte Seite des Lebens. Die Organisation kümmert sich um HIV-infizierte Kinder, obdachlose und staatenlose Kinder. Merkelbach berichtete nicht nur über die Armut und die primitiven Lebensbedingungen der verstoßenen Kinder ohne ausreichend gesundheitliche Betreuung, sondern auch über die Ignoranz gegenüber dem Straßenkinderwesen. Die Bedürfnisse der Staatenlosen werden nirgends wahrgenommen.

Das sonst leistungsfähige Schulsystem lässt es an jeglicher sexuellen Aufklärung fehlen. In der Öffentlichkeit und somit auch für Eltern‚ ist Sexualität einfach kein Thema. Insofern nimmt die Zahl der HIV-infizierten und Aids- Erkrankten zu. Chris Merkelbach organisierte mit Spenden und hilfsbereiten Studenten und ganz wenigen stark engagierten Bürgern Projekte und sammelte die Ausgestoßenen in einem Heim, wobei sie eine leer stehende gespendete Halle selbst entsprechend umfunktioniert haben. Die Arbeit, die ihm den Namen „Uncle Chris“ einbrachte, verlangte gleichzeitig den erbitterten Kampf gegen völlig uneinsichtige Behörden. Unter Hintanstellung gewisser Werte unseres Kulturkreises in puncto Ehrlichkeit entwickelte Merkelbach eine Strategie, die ihm erhebliche Erfolge und langsam auch einen beachtlichen Ruf einbrachte. Hilfen von Chinesen, die in Deutschland studiert haben und anschließend in ihre Heimat zurückgekehrt sind, erleichterten punktuell die soziale Arbeit.

Trotz dieses an eigenen Opfern reichen Lebens fand Merkelbach Zeit, Wege und Kraft sich an den unterschiedlichen Universitäten, an denen er arbeitete, selbst weiterzubilden. Eine zentrale Rolle in dieser Lebensphase spielte die Freundschaft zu einem älteren taiwanischen Richterehepaar, bei dem er meist fünfmal in der Woche zum Sprechen und Kochen zu Gast gewesen ist. Heute spricht er fünf Sprachen.

Mit diesen Erfahrungen ausgestattet trat Dr. Merkelbach 2014 die Stelle des Geschäftsführers im Sprachenzentrum der TU Darmstadt an und leitet auch dort das Zentrum für interkulturelle Kompetenz (ZIKK). Zurzeit laufen dort 3 Klassen mit geflüchteten Studierenden, Studienanwärtern und Akademikerinnen. Bei dieser Arbeit ist die Aka55plus als hilfreicher Partner ins Spiel gekommen. Motor dieser wichtigen Kooperation ist Heidrun Bleeck, die neben der engagierten eigenen Betreuungsarbeit, stets das Feld der Lernhelfer zusammenhält und zu erweitern sucht. Merkelbach ist neben seiner Arbeit in Darmstadt ein aktives Mitglied der Forschungsgruppe im Netzwerk Flüchtlingsforschung im Arbeitskreis ‚ Deutsch als Fremdsprache’. Ziel dieser Forschungsarbeit, das durch die Vielzahl der akuten Flüchtlinge eine bundesweite Relevanz hat, ist es, neue Konzepte für das Sprachenlernen zu entwickeln. Dabei müssen alle Elemente des kulturellen Miteinanders bedacht werden, also auch die sozialen Aspekte und die Veränderungen bei den Aufnahmegesellschaften.

Die Veranstaltung schloss mit einem Erfahrungsaustausch über praktizierte, erfolgreiche
Integrationsbeispiele infolge von zeitweiser Einbindung der jungen Flüchtlinge in die Familien.

Walter Schwebel