ohr pbRichard Weber-Laux möchte erreichen, dass Musik nicht nur nebenbei konsumiert wird, sondern genauer hingehört, sich mit den Klängen auseinandergesetzt und möglichst etwas Neues herausgehört wird. In seiner Reihe „Hör-Art“ brachte er nun musikalische Geschichten mit: entweder erzählte die Musik selbst eine Geschichte oder hatte ein besonderes Ereignis als Auslöser.

Die unterhaltsamen 90 Minuten wurden von Weber-Laux in ein Ratespiel verpackt. Wer von den Zuhörern kennt den Komponisten? In welche Epoche gehört das Stück? Was hört man heraus, was wird dargestellt? Hier schieden sich natürlich die Geister: der regelmäßige Konzertbesucher erkennt mehr als der musikalische Laien, letzterem bleibt nur das Raten.

Hier die (fiktiven) Gedankengänge eines Hör-Art-isten:

Nr. 1) Na klar, das ist eine anfahrende Lokomotive, mit tiefen Bässen, markanten Rhythmen und zunehmenden Tempo treffend beschrieben, aber welcher Komponist könnte das geschrieben haben? Es wird verraten: Arthur Honegger mit seinem Werk „Pacific 213“.

Nr. 2) - Krieg ist angesagt: Fanfaren und Hymnen erklingen, dazu Schlachtengetümmel mit Kanonengetöse und nachgeahmten Gewehrsalven: ist das Tschaikowsky mit seiner Ouvertüre „1812“? Falsch, es ist „Wellingtons Sieg“ von Beethoven.

Nr 3) Orgel im Wechsel mit kleinem Orchester: das sollte eigentlich Händel sein; der hat vieles dieser Art komponiert. Aber das dabei auch mal Vogelstimmen vorkommen, hätte ich nicht gewusst („Der Kuckuck und die Nachtigall“)

Nr. 5) Nun folgt eine unbekannte Tenorarie über das Küssen; lautmalerisch lässt sich da nicht viel darstellen, aber das verbale Werben um die Angebetete ist allerliebst (Adam Krüger: „Amanda, darf man dich wohl küssen?“)

Nr. 6) Ein lyrisches Cellothema plus Klavier; das ist doch, ehm…, oder nicht? Doch, natürlich: der majestätisch über den See gleitende „Schwan“ aus „Karneval der Tiere“ (Camille Saint-Saens)

Nr. 7) Harte, abgehackte Streicherklänge: klingt nach dem „Winter“ aus den „Vier Jahreszeiten“. Aber nein, es wird auch noch gesungen! Stotternd, gehemmt: der Sänger scheint zu frieren. Das ist mir total fremd. Aber den „Frostgeist“ von Henry Purcel aus seiner Oper „King Arthur“ kann man bestens nachempfinden.

Nr. 8) Der Hinweis auf „Tochter Liesgen“ und „den alten Schlendrian“ in der Hinführung verrät mir schon alles: das kann nur aus der „Kaffeekantate“ von Bach sein: der „liebevolle“ Streit zwischen Vater und Tochter, die nicht vom Kaffeetrinken lassen will.

Nr. 10) Um den Schlitten geht es nun? Da fällt mir nur der Vater Mozarts ein mit seiner „Musikalischen Schlittenfahrt“. Und sie ist es tatsächlich!

Nr. 11) Zwei Sopräne - einziger Text „Miau“, das gerät zu einem einziges Katzengejammer, aber auf hohem künstlerischem Niveau. Spaßig zum zuhören; den Komponisten muss man nicht unbedingt kennen (Pearsall).

Nr. 12) Eines von den vielen „Bildern einer Ausstellung“ (Mussorgski) ist das der Hexe Baba-Jaga, unverwechselbar in seiner gespenstischen, furchteinflößenden Charakterisierung. Die Instrumentierung von Ravel verstärkt die Wirkung - immer wieder schaurig-schön.

Nr. 13) Die Abschiedssinfonie von Haydn zum Abschluß des Nachmittags - das passt. Wir dürfen jetzt nach Hause gehen, wie damals die Musiker des Grafen Esterhazy…

So unterhaltsam kann Musik sein, wenn sie einem erklärt wird - oder man sich selbst um die Hintergründe bemüht…

Klaus-Peter Reis