Das KIKERIKI – THEATER bricht alle Rekorde
Dass „Hohlkopf“ durchaus kein Schimpfwort ist, sondern ein Arbeitsbegriff, erfuhr die Aka-Gruppe beim morgendlichen Besuch der Comedy-Hall, die übrigens eine ehemalige Bessunger Turnhalle ist und deshalb gut deutsch „Hall“ ( mit a ) ausgesprochen wird.
Hier residiert das berühmte Kikerikitheater seit 1996. Stolz kann der Gründer Roland Hotz auf die Rekorde des erfolgreichsten Puppenspieltheaters für Erwachsene in Deutschland schauen: Jährlich gibt es 270 Vorstellungen für Erwachsene und 70 für Kinder – seitdem ist noch keine einzige Aufführung ausgefallen. Rund 1,7 Millionen Besucher haben sich bisher den Genuss der mundartlich-derben Stücke gegönnt.
Mittlerweile gibt es zwei feste Truppen von jeweils fünf Mitwirkenden. Ein Trüppchen ist immer in Darmstadt, das andere spielt auswärts – inzwischen im ganzen Hessenland. Einer der Akteure ist Florian Harz, nach eigener Aussage von Beruf „Publikumsliebling“. Er ist ein Allroundtalent, eine „Rampensau“ vor allem, aber auch ein akribischer Bastler, Tüftler und Handwerker, wie die Aka-Gruppe bei ihrem Rundgang feststellen konnte.
Zunächst ging es in die Werkstatt – hinunter in den Keller über eine enge Wendeltreppe. Eng ist es auch im Raum selbst. Was zunächst chaotisch-künstlerisch aussieht, entpuppt sich als wohlgeordnet: Schrauben und Nägel in allen Größen liegen sorgfältig sortiert im Wandregal. Tuben, Dosen, Farben, Bastelutensilien aller Art sindgriffbereit auf den Tischen. Halbfertige Puppenköpfe machen auf das nächste Stück neugierig . Zum Beispiel „Heidi“, eine schon etwas verblühte Schönheit, die demnächst ihren großen Auftritt haben wird.
Ihr Kopf ist aus Styropor, das Gesicht aus Stoff, der mit Gaze überzogen ist, wodurch sich leicht die Altersfalten modellieren lassen. Beim jugendlich glatten Kopf hingegen hat Florian Harz Spannbettbezüge als Zaubermaterial entdeckt. Der „Hohlkopf“ entsteht, indem der Kopf zunächst geknetet, dann mit einer Schicht aus Papier und Gaze beklebt, getrocknet und schließlich wieder ausgepuhlt wird, sodass der Schauspieler mit seinen Fingern hineingelangt und die Puppe in Bewegung bringen kann.
Alle Spieler haben übrigens einen Nebenjob im Theater. Wer nicht bastelt, macht sich anderswo nützlich, es gibt in einem so großen Theater unzählige Sachen zu tun, und so ist es kein Wunder, dass diese Allrounder alles selbst machen. Ausnahme: Schweißen, diese Tätigkeit wird ausgelagert.
Spannend war auch die Frage, wie die Spieler es hinkriegen, immer auf gleicher Augenhöhe zu spielen. Schließlich streiten, babbeln und bewegen sich die Puppen ja immer ungefähr zwei Meter über dem Bühnenboden. Und da die Darsteller nicht alle das gleiche Gardemaß aufweisen, muss eben mit Hilfsmitteln ausgeglichen werden, damit die Spielleiste erreicht wird. Ein schönes Geschenk war für die Akteure die Erfindung der Buffalo-Schuhe, mit denen Größenunterschiede ausgeglichen werden konnten.
Nach einem ausführlichen Rundgang und diversen Überraschungen – unter anderem ein Esel, der nicht nur Maul und Augen öffnen konnte, sondern sogar den Schwanz hob und ein braunes Häuflein fallen ließ – gab es dann noch ein besonderes Bonbon zum Schluss: Puppenspieler Harz und seine neue Kollegin Jasmin führten eine kurze Szene vor. „Das Cabinet des Dr. Goggelores“ hatte gerade Premiere und die meisten Vorstellungen sind natürlich schon wieder ausvekauft. Das mag auch daran liegen, dass manche Theaterbesucher sich gleich für zwei zeitlich weit auseinander liegende Vorstellungen Karten besorgen. Und nun wissen wir auch, wieso: Die Stücke, alle natürlich selbst geschrieben – vor allem vom Chef persönlich - machen eine Entwicklung durch. Immer neue Gags , Zoten und Anspielungen kommen dazu, keine Vorstellung gleicht der anderen. Und auch der „Running Gag“ ändert sich ständig, außer in einem Punkt: Es geht immer um die Roßdörfer..... Da jene aber zum Beispiel in Frankfurt oder Gießen nicht ganz so bekannt sein dürften, wird der derbe Spaß auswärts einfach angepasst. Schließlich hat jeder Ort einen Nachbarn, den man gern mal aufs Korn nimmt. Alles ist ein großer Jux. Und solange es ein so erfolgreiches Mundartspektakel jeden Abend gibt, wird das Heinerdeutsch bestimmt nicht aussterben.
Text: Heidrun Bleeck