In bewegten Zeiten prägte der katholische Seelsorger Valentin Degen die Geschichte Darmstadts nachhaltig. Nicht umsonst hat er ein Ehrengrab in der Kirche St.Ludwig. Der Schulleiter Manfred Göbel hat nach seinen Spuren geforscht und die Ergebnisse vorgestellt.
Der geborene Lorscher Valentin Degen (1902 - 1961), studiert Philosophie und Theologie in Innsbruck und promoviert auf beiden Gebieten.
Ihn interessiert vor allem das Verhältnis zwischen Glauben und Wissen während seines Studiums und darüber hinaus.
Nach der Priesterweihe 1927 wird er zunächst Kaplan in Worms. Drei wesentliche Betätigungsfelder prägen den jungen Mann und werden seine Herzensanliegen bis zu seinem Tod: Studentenverbindungen, Caritas- und Seelsorge-Arbeit.
Der Student Valentin wird früh „Fuchsmajor“ (ein Führungsamt in einer Verbindung) und in den 30er Jahren Studentenseelsorger in Südhessen. Obwohl er nach dem 2. Weltkrieg als Pfarrer genug zu tun hat (s.u.), nimmt er sich auch dann noch bis zu 3 Abende pro Woche für „seine Studenten“ Zeit, um mit ihnen bis spät in die Nacht zu arbeiten und philosophisch-wissenschaftliche Themen zu diskutieren.
Die Sorge um ihr gesundheitliches Wohl in mageren Zeiten (ab 1945) mündet in eine von ihm organisierte „Studententafel“, bei der viele ein warmes Mittagessen erhalten haben. In den 50er Jahren wirkt er stark in den Hochschulbereich hinein und initiiert verschiedene sozialkritische Vortrage (mit dem Jesuit Nell-Breuning u.a.).
Seine intellektuellen Fähigkeiten bringen Degen schon vor 1933 zur Mitarbeit beim „Wormser Echo“ und später den „Darmstädter Nachrichten“. Beides waren katholische Zeitungen, die mit Nachrichten aus Kirche und Welt vor allem ihr Klientel ansprechen sollten. Selbst 46 Tage Nazi-Haft wegen angeblicher „Zersetzung“ durch einen kritischen Kommentar der Zeitung können ihn nicht abhalten. Zur gleichen Zeit interessiert er sich für die Caritasarbeit und wird deren Caritas-Sekretär, nach dem Krieg wird er schließlich nebenamtlicher (!) Direktor dieser Institution für Südhessen.
Mit Ende des Krieges wird er Pfarrverwalter und bald Pfarrer von der Kuppelkirche, die seit der Brandnacht keine Kuppel mehr hat. In den Ruinen des Innenstadt-Pfarrbezirks wohnen Mitte 1945 ganze 6 Familien, doch das ändert sich langsam, aber stetig. Der neue Pfarrer wird konfrontiert mit ausgebombten, geflüchteten, wohnungssuchenden, hungernden und traumatisierten Mitmenschen, die Hilfe suchen. Das unversehrt gebliebene Küsterhaus und eine im Hof errichtete Holzbaracke werden zum Pfarrbüro und Schaltzentrale seiner umfangreichen Hilfsaktivitäten. Wie es ihm gelingt, alles zu organisieren und nicht mutlos zu werden, ist für uns heute nur schwer nachzuvollziehen. Er kann z.B. in enger ökumenischer Zusammenarbeit in der Umgebung Darmstadt Häuser erwerben bzw. erbauen, die zu Heimen für Obdachlose bzw. Mädchen umgewandelt werden.
Seine seelsorgliche Arbeit darf nicht unerwähnt bleiben. Kann anfangs für die wenigen Katholiken noch in Wohnungen bzw. in der schnell restaurierten Kapelle St. Joseph Gottesdienst abgehalten werden, wird der die Notwendigkeit eines Kirchen-Wiederaufbaus immer drängender. Wie soll die neue Kirche St. Ludwig aussehen? Wo kommt das Geld dafür her, bei einer fast mittellosen Gemeinde? Ein befreundeter Architekt macht mehrere, auch revolutionäre Vorschläge, wobei das Endergebnis dem vorherigen Bau sehr nahe kommt. Durch mühsame Kleinarbeit und mit mehreren Darlehen kann 1955 die Kirche neu eröffnet werden; der Innenausbau zieht sich aber noch Jahre hin.
Valentin Degen ist eine starke Persönlichkeit: zwar gelegentlich stur und im Umgang anstrengend, aber umsichtig und unermüdlich, dabei hochgebildet und ein starker Prediger. Seine Vita zeigt, dass die Prägungen in jungen Jahren ihm später zu Gute kommen, quasi schicksalhaft nicht mehr loslassen. Schon lange von Herzproblemen geplagt, stirbt er im Oktober 1961 mit 59 Jahren an einem Infarkt. Die Darmstädter Bürger, egal welcher Konfession, haben ihm viel zu verdanken.
Text: Klaus-Peter Reis / Foto: Stadtarchiv Darmstadt