In seiner Reihe „Punkt, Punkt, Komma, Strich…“ widmete sich Helmut Linke diesmal der Karikatur. Es ist ohne Frage eine Kunst, einen aktuellen Sachverhalt zeichnerisch überspitzt und in einem einzigen Bild so darzustellen, dass der Betrachter darüber schmunzeln, lachen oder - im Fall der Betroffenheit - sich darüber ärgern kann.
Das italienische „caricare“ bedeutet „übertrieben komisch darstellen“. Wie das Wort entstand, ist unbekannt, eine Verbindung zu den Malerbrüdern Carraci (um 1600) ist aber nachweisbar. So könnte ein Name zum Verb gemacht worden sein, ähnlich dem neu-deutschen Verb „merkeln“. Auf jeden Fall kam die Karikatur als Begriff verspätet über das Französische ins Deutsche, die zögerliche Aufklärungswelle hierzulande ist wohl daran schuld. „Die Karikatur ist die auf die wesentlichen Merkmale beschränkte Zeichnung, die aber gleichzeitig die Heraushebung besonderer und zum Teil übersteigerter Merkmale zum Stilmittel erhebt“, so der Duden. Eine Abgrenzung zu Cartoon, Witzzeichnung oder Satire ist nicht immer möglich.
Der feine, aber ganz wichtige Unterschied zwischen einer Karikatur und einem Schmähbild muss beachtet werden: Karikieren kann man nur Personen, Gruppen oder Institutionen, die Macht ausüben und dabei anecken, auf Kritik stoßen, Widerspruch herausfordern. Wenn die Karikatur instrumentalisiert wird, wird sie ihres Sinnes entleert: Als die Nazis verunglimpfende Zeichnungen über „den Juden“ publizierten, waren dies Hasstiraden und keine Karikaturen.
Beliebte Zielobjekte der Karikatur, die also „aufklären“ will durch ihre Über-zeichnung, waren und sind Menschen des öffentlichen Lebens, aus Politik, Kirche und Gesellschaft. Dabei kann es sich um den Papst, einen Präsidenten oder die Kanzlerin handeln, nebenbei auch die kleinen „Autoritäten“ im Staatsapparat, beim Militär etc.
Mit der Renaissance begann die Geschichte der Karikatur und ist bis heute ungebrochen. Wir haben uns daran gewöhnt, in der Tageszeitung (s. DA-Echo Seite 2) eine Karikatur zur aktuellen Meldung zu finden. Man muss es bewundern, denn zwischen dem Ereignis, der spöttischen Idee dazu und der ausgeführten Zeichnung dürfen ja nur Stunden vergehen.
Die abschließende Frage, die Helmut Linke in seinem Vortrag aufwarf, war: Was darf denn Karikatur und was nicht? Das Grundgesetz gibt mit Artikel 5 GG zwar ein klare Auskunft: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten“. Trotzdem kommt es, vor allem über religiöse Themen, immer mal wieder zu gerichtlichen Auseinandersetzungen und (leider auch) zu Anschlägen und Morde (s. Mohammed-Karikaturen). Die Grenzen sind hier nicht immer klar und werden - je nach Weltanschauung, Kunstverständnis oder Ideologie), sehr unterschiedlich gesehen.
Im zweiten Teil des Vortrags zeigte Helmut Linke eine Auswahl berühmter Karikaturisten und Beispiele ihrer Kunst und Stilmittel. Die reiche Auswahl reichte von Bernini über Barlach, Grosz, Ohser, Gernhard, Poth und Ungerer bis hin zu Haitzinger, der uns im ECHO häufig entgegenlacht. Entsprechend unterschiedlich waren die Themen dieser Bilder und die Schärfe ihrer Aussage. Die ausgelegte Auswahl von ausgelegten Büchern über und von Karikaturisten ergänzte seine beeindruckenden Bildprojektionen.
Klaus-Peter Reis