AKA-Mitglieder haben mal über den Tellerrand geschaut und einem Vortrag in Bensheim über die Geschichte der wichtigsten italienischen Opernhäuser beigewohnt.
Fazit: Die Italiener haben die schöneren Häuser, die Deutschen das reichhaltigere Musikprogramm.
Die Vortragende, Fr. Dr. Sonntag, ist u.a. Operndramaturgin und Lehrkraft an der Hannoverschen Musikhochschule. Nebenbei liebt sie italienische Opern, das waren beste Voraussetzungen für einen gewinnbringenden Vortragsabend.
Was in Neapel Anfang des 17. Jahrhundert mit dem Teatro San Carlo begann, nahm seine Fortsetzung in einer stolzen Anzahl barocker und klassizistischer Spielhäuser in ganz Italien, die jeden Opernfan nur begeistern können.
Frau Sonntag zeigte anhand (subjektiver) Klassifizierungen - das älteste, das kleinste, das größte, das berühmteste Teatro etc. - die Vielfalt der Häuser. Und trotzdem sehen sie alle irgendwie gleich aus: rote Plüschsessel, 4 bis 6 Logenränge, vergoldete Fassaden, große Lüstern, Samtvorhang. Manche ehemals berühmte Häuser gibt es nicht mehr, wieder andere sind abgebrannt, aber in alter Pracht erneut aufgebaut worden. Ein Beispiel aus jüngerer Zeit ist das vor 10 Jahren wiedereröffnete Teatro La Fenice in Venedig. Das berühmte Teatro alla Scala in Mailand wurde im II. Weltkrieg schwer beschädigt, glänzt aber heute wie eh und je.
Vom kleinsten (in Busseto, 200 Plätze) bis zum größten Haus (Palermo, 3000 Plätze) ist die Anzahl der Inszenierungen und Aufführungen pro Jahr sehr unterschiedlich, was zum großen Teil an den vergleichsweise geringen staatlichen Subventionen liegt. Nur 13 Häuser - von rund 90 dieser Art in ganz Italien - werden gefördert; alle anderen schaffen mit viel privatem Engagement und Sponsoren und einen zeitlich begrenzten Spielbetrieb oder bleiben geschlossen. Busseto muss sich für das ganze Jahr mit einem 3-tägigen Festival begnügen, das aber mit hochkarätiger Besetzung wie zuletzt mit P. Domingo (Dirigent) und F. Zefirelli (Regisseur).
Frau Sonntag hat mit kurzen, älteren und neuen Film-Aussschnitten nicht nur einige Häuser lebendig werden lassen, sondern auch bekannte Operndiven und -stars in ihnen präsentieren können. Zugleich beleuchtete sie die Personen und Ämter hinter den Opern-Kulissen der Vergangenheit.
Die Bezeichnung Impresario ist einem in der Regel geläufig. Dass er aber im 18. und 19. Jahrhundert im Opernhaus das „Mädchen für alles“ war, ist weniger bekannt. Er war nicht nur quasi der Pächter des Teatro und somit für die Finanzen zuständig, sondern auch für Mitarbeiter, Material, Reinigung etc. Auch die Komponisten, die Sänger und Instrumentalisten waren von ihm abhängig. Das galt allerdings auch umgekehrt, denn einen Flop - eine misslungene Inszenierung - konnte sich ein Impresario nicht leisten. Zwei einflussreiche Personen dieser Art waren Barbaja und Merelli: der eine war für Rossini, der andere für Verdi (lebens-)wichtig. Verdi wurde in Mailand und darüber hinaus so berühmt, so dass er per Vertrag großen Einfluss auf Sänger, Honorar, Tantiemen und Ausstattung nehmen konnte; in der Zeit davor verkaufte ein Komponist seine Oper und alle Rechte daraus vor der Premiere an den Impresario.
Wenn Sie, liebe Leserin und Leser, in Zukunft in italienische Gefilde und dabei in die Nähe von Mailand, Venedig oder Busseto, nach Turin, Bologna, Modena oder Rom kommen, vergessen Sie nicht das örtliche Opernhaus zu besuchen. Und wenn gerade keine Oper gezeigt wird: - eine Führung durch das Haus ist vielleicht möglich!?
Klaus-Peter Reis