Am Beispiel der Stadt Frankfurt (derzeit 730.000 Einw.) bot Holger Krier einen Abriss der Entwicklung der Abwasserbeseitigung vom 16. Jahrhundert bis heute. Nach einem kurzen Blick zu den klassischen Vorläufern der Kanalbauer in Mesopotamien, Griechenland und Rom holte Krier sein Publikum mit einem unheimlich schaurigen Literatur-Auszug von Patrick Süßkind in die spätmittelalterlichen Hygieneverhältnisse dieser Zeit: Es stank in allen Straßen.

In Frankfurt feierte man 2017 das 150-Jahre-Jubiläum des Abwasser-Kanalbaus. Schon Jahre vor 1867 war das Thema stadtrelevant. Mit offenen Gruben und Abwasserrinnen am Straßenrand (Traufgässchen) waren die unhaltbaren unhygienischen Zustände für die Bevölkerung Grund für große Unzufriedenheit, so dass auch die Kanäle von 1850 und die Abwasserentsorgung mit dem Heidelberger Tonnensystem keine ausreichende Lösung darstellten. Für Fäkalienkübel bestand ein Abholdienst für Wohlhabende. Die Missstände bildeten über Jahre ein kommunalpolitisches Thema bis der einflussreiche Herr Varrentrab (?) den Bau des (in Deutschland ersten) modernen Abwasserkanalsystem mit Lüftungsrohren in Gang brachte und nach einjähriger Bauzeit 1867 erfolgreich abschloss.

In den 1880er Jahren wurden nach englischem Muster die ersten Kläranlagen gebaut. Von den regelmäßig notwendigen Entschlammungen der Anlagen profitierte zunächst die Landwirtschaft, indem der Schlamm als Dung genutzt wurde. Als sich diese Nutzung infolge chemischer Düngemittel stark reduzierte, begann man den Schlamm zu entwässern und zu verbrennen.

Durch den Anschluss von Höchst (1914) und Offenbach (1954) bewies das Frankfurter Abwassersystem seine Effizienz und Erweiterungsmöglichkeit, wenngleich sich die Anwohner immer noch durch den fauligen Geruch belästigt fühlten.

Heute werden an das Kanalsystem neue Herausforderungen gestellt. Klimawandel, Hochwasser durch Starkregenphasen, Planungen im Straßenbau und Einleitverbote sind Themen bei der Entwässerungsplanung bei der Unteren Wasserbehörde im Umweltamt der Frankfurter Stadtverwaltung. Derzeitige Veränderungen am Entwässerungsplan sind an der Zukunft orientiert und gehen von zwei Mio. Einwohnern aus. Vierhundert Mitarbeiter, je zur Hälfte Planer (Ingenieure und Verwaltung) und Handwerker sorgen sich um die im Sektor Abwasser anfallenden Aufgaben. Es werden teuere Pumpsysteme eingesetzt, wenn der Bau von steil abfallenden Kanälen nicht überall möglich ist. Das System nutzt, wo immer es möglich ist, die topografischen Gegebenheiten in Frankfurt. Der in drei Reinigungsstufen gefilterte Abfall fließt in den Main. Ein Hessisches Wassergesetz regelt alle Misch- und Trennverfahren, u. a. auch die Einleitverbote.

Walter Schwebel