muenze glockenbau kpr... wenn man sie in freier Natur hört. Aber zur Einstimmung seines Vortrags gab es barocke Klänge des Schloss-Glockenspiels von der CD: Dr. Gunter Quarg erzählte an Hand von alten Bildern und Münzen die Geschichte des Glockenbaus von Darmstadt, dessen krönender Abschluss das täglich, sogar halbstündig erklingende Glockenensemble darstellt.

Im Jahr 2014 konnte der Glockenbau sein 350jähriges Bestehen feiern. Landgraf Ludwig VI. war der Bauherr, der „sein“ Schloss zunächst nur mit einem Erweiterungsbau plus kleinem Turm verschönern wollte; Grundsteinlegung war dazu im Jahre 1664. Während der Bauzeit kam dem Landgraf auf einer langen Reise durch Nordeuropa die Idee, den Turm nicht nur optisch zu ergrößern, sondern auch akustisch in Szene zu setzen. Die besten Glockengiesser jener Zeit, die Gebrüder Hemony aus den Niederlanden, wurden beauftragt, alles Nötige zu liefern: die Bronze-Glocken, das tragende Gebälk und ein tonnenschweres Walzenspielwerk. Die Kosten des Ganzen: 11218 Gulden, fast so hoch wie das restliche Bauwerk.

Das Walzwerk war programmierbar: im speziellen Muster gesteckte Holzpflöcke sorgten für ein- und mehrstimmige Melodien. Allerdings konnte zu einer Zeit immer nur eine Melodie zu Gehör gebracht werden. Ein neues Lied musste vom extra angestellten Hofglockneristen neu „eingepflockt“ werden. Zu Zeiten Ludwigs VIII., der das Darmstädter Schloss gewaltig ausbauen wollte, sollte der Glockenturm zur zentrale Mitte der Anlage werden; dazu ist es nicht gekommen. Aber das barocke Glockenspiel war trotzdem mehr als 250 Jahre eine Sensation für Stadtbesucher und der Stolz der Bewohner.

glockenaussschnitt kprIm II. Weltkrieg wurde der Turm stark beschädigt, die Glocken gingen verloren. Das Walzwerk ist überraschender Weise gerettet worden und wird hoffentlich - so Dr. Quarg -, von der TU als „Programmier-Unikum“ in Ehren gehalten. Schon bald nach 1945 waren Gelder für den Wiederaufbau und Glockenguss vorhanden, so dass das Glockengeläut 1951 erneut erschallen konnte. Der Mechanismus ist seitdem ein anderer: die jetzigen Edelstahl-Glocken schwingen nicht mehr; nur die Klöppel werden elektromagnetisch bewegt. So hören wir Passanten heute zu jeder halben und vollen Stunde am östlichen Schlossgraben ein Liedchen von oben - wenn der nahe Strassenlärm es zulässt. Für alle, dies nicht wussten, wurde auch verraten: Zur vollen Stunde ist es ein geistliches Lied, jeweils dazwischen sind es weltliche Klänge. Schön klingt es immer, obwohl die Melodie nicht immer leicht herauszuhören ist.

Zur Grundsteinlegung wurde übrigens eine spezielle Gedenkmünze in zweifacher Ausfertigung geprägt, deren  silberne Ausführung jetzt irgendwo unter dem Turm schlummert. Eine Nachprägung des goldenen Stückes konnte der Münz-Sammler Dr. Quarg uns zeigen.

Klaus-Peter Reis