Ein Besuch im Brentanohaus im Rheingau
Ein Haus voller 'Geschichte und Geschichten' war das Ziel einer von Ingrid Scheffler organisierten Tagesfahrt in den sonnigen Rheingau. Dichter, Gelehrte und bedeutende Frauen hatten sich hier getroffen. Und so war es nicht überraschend, dass eine Nachfahrin der ursprünglichen Besitzer die Führung höchstpersönlich durchführte. Baronin Angelika von Brentano gab der Aka-Gruppe fundierte Einblicke ins Leben und Treiben der „Rheinromantiker“, die vor etwa 200 Jahren dort in Östrich-Winkel eine ihrer Sommerresidenzen hatten: das Brentanohaus, ein Kleinod der Romantik.
1751 wurde es erbaut, 1804 erwarb es der Frankfurter Kaufmann Franz Dominicus Brentano, und ab da blieb es im Besitz derer von Brentanos, bis es schließlich 2014 das Land Hessen kaufte und als Kulturgut auch in Zukunft betreuen wird.
Clemens Brentano, der berühmteste Vertreter dieses Namens, war übrigens nur selten dort. Allerdings hatte er mit seinem Freund Achim von Arnim auf einer Reise auf dem Rhein den Anstoß gegeben. Bei seinen Forschungen zu Sagen und Märchen dieses Flusses schuf er die Figur der Lore-Ley. Sein Pech: Richtig berühmt wurde die fischermordende Maid erst durch Heinrich Heine 20 Jahre später, der mit diesem Gedicht aber auch deutlich die literarische Gattung verspottete.
Seine Schwester hingegen, Bettine, die seinen besten Freund heiratete, liebte das Haus und verbrachte viel Zeit dort, wenn sie nicht gerade in Berlin, ihrem Hauptwohnsitz, war.. Sie war eine bemerkenswerte Frau und scharte große Namen um sich. So zählten z.B. Tieck, Beethoven, die Grimm-Brüder, Schleiermacher, Mendelssoh und andere Berühmtheiten zu ihren Bekannten. Gleichzeitig war sie jedoch eine engagierte Persönlichkeit, die sich für Gelichberechtigung und Abschaffung der Todesstrafe einsetzte und in sozialen Hilfsprojekten mitarbeitete.
Und dann war da noch Goethe, den Bettine verehrte und auch mit ihrer Zuneigung regelrecht verfolgte, heute würde man von „stalking“ sprechen. Mit Goethes Frau Christaine Vulpius war sie nicht gerade freundschaftlich verbunden. Als sie diese auf einer Ausstellung öfffentlich eine „wahnsinnige Blutwurst“ nannte, war es endgültig vorbei mit der Geduld des Geheimrates. Er verbat sich weitere Treffen mit ihr und ging auf keine Entschuldigung mehr ein. Wann immer er ins Brentanohaus zurückkehrte, wurde ihr der Aufenthalt dort verboten. Der Dichterfürst selbst war dort gern gesehen, auch wenn er sicherlich kein einfacher Gast war: Er stand sehr früh auf, spazierte in den Gärten herum, wurde aber sehr unwirsch, wenn ihm jemand begegnete. Zu den Mahlzeiten häufte er sich die Teller voll, aß aber nichts – wohl wegen fehlender Zähne. Um so mehr sprach er dem Rheingauer Riesling zu.
Bettine von Arnims enge Vertraute war Karoline zu Günderrode, wie sie eine bemerkenswerte Schriftstellerin, vom Typ her aber das Gegenteil. Im Kloster erzogen, introvertiert, unglücklich verliebt in einen Heidelberger Gelehrten und stets hadernd mit der Frauenrolle, die ihr die Freiheiten verwehrte, die sie ersehnte, schrieb sie Gedichte, die ihr den Namen „Deutsche Sappho“ bescherten.Tragisch war ihr Ende: Sie erdolchte sich im Rhein, ihre Leiche wurde am nächsten Tag gefunden und auf dem Friedhof der Basilika von Winkel bestattet. Dort kann man ihr Grab noch heute besuchen.
Ein eindrucksvoller Tag mit spannenden Eindrücken in die deutsche Literaturgeschichte und grandiosen Ausblicken auf den „deutschen Schicksalsfluss“ Vater Rhein ging zu Ende. Kleiner Tipp zum Schluss: Wer noch nicht da war, sollte gelegentlich mal einen Ausflug dorthin unterhnehmen. Das Brenatanohaus bietet gelegentlich auch öffentliche Führungen an. Und abends sind ja dann auch die Straußenwirtschaften alle geöffnet. Da kann man dann nachprüfen, ob Johann Wolfgang mit seiner Leidenshaft für edle Tropfen auch in dieser Rheingauecke richtig lag.
Heidrun Bleeck