Mit dem Bärenwirt und Schlossgeist Gudula durch Höchst

Zur Belebung des Stadttourismus gibt es unterschiedlich akzentuierte Konzepte für Stadtrundgänge. In Höchst, dem größten Stadtteil Frankfurts, hat sich dafür das Mundart-Rezitations- Theater Rezi*Babbel entwickelt, das sich gleichzeitig die Mundartpflege zur Aufgabe macht.
Vom Veranstalterteam der Aka hat sich Ingrid Scheffler diesmal die Kostümführung „Hoechst theatralisch“, einen vergnüglichen Spaziergang durch die Altstadt, ausgesucht und mit 24 Interessierten angetreten.

Insofern war niemand überrascht, als ein Herr im gesetzten Alter und historischer Tracht sich auf dem Schlossplatz zu unserer Gruppe gesellte und sich als der Bärenwirt „Schorsch“ vorstellte. Seine heimatkundlich orientierte Rede kam schnell auf den verwunschenen Schlossgeist „Gudula“ zu sprechen, eine Dame mit zweifelhaftem Ruf, die vor mehr als 150 Jahren im Schlosskeller eingemauert worden sei. Unversehens trat daraufhin eine zeitlos wirkende Frau in adeliger Tracht zwischen den Bäumen hervor. Das musste die Gegenspielerin vom Bären-Schorsch sein. Und in der Tat widersprach sie dem sich etwas anbiedernden Redner in allen Dingen sehr eloquent und gewann so einen Teil der Sympathien für sich. Der kontroverse Dialog setze sich an markanten Plätzen des Spaziergangs fort: am Ochsenturm, an der alten Stadtmauer, am Dalberger Hof, im Garten des Neuen Schlosses und in der Rosengasse. Während er seine Rolle als cooler, stets ‚unuffgereechter’ Kneipenkenner mit kleinen Versen und Gedichten anhob, bot Gudula stets die historischen Fakten und das architektonische Wissen, auch über die Knotenpunkte der Stadtgeschichte. Bereits im Jahre 1396 gipfelte ein Streit um Zölle mit der Zerstörung von Höchst. Häufige Rivalitäten mit den Frankfurter Stadtvätern führten zeitweise zu einer politischen Anbindung an Mainz, von wo ein gewisser Ritter Hartmut eine unritterliche Beziehung zu Gudula unterhalten haben soll. Unweit der vor 800 Jahren geweihten Justinuskirche, auf Grund und Boden des früheren Friedhofs, der einst von Schweinen aufgewühlt und dramatisch entehrt wurde, endete der geist- und humorvolle „Lehr-Gang“ durch die Höchster Altstadt, die nach einem katastrophalen Brand wieder im feinen Fachwerkstil besichtigt werden kann.

Auf Befragen eröffnen die beiden Protagonisten ohne Kostüm im Alltag ganz reale Rollen zu spielen: Silke Wustmann ist Historikerin und freiberuflich für die Gemeinde Höchst als Stadtführerin tätig, während Mario Gesiarz von Beruf Gewerkschaftssekretär bei Ver.di gewesen ist und jetzt das o.a. Mundart-Theater leitet.

Walter Schwebel (Text) Ingrid Scheffler(Fotos)