Es is kaa Stadt uff der weite Welt,
die so merr wie mei Frankfort gefällt,
un es will merr net in mein Kopp enei:
wie kann nor e Mensch net von Frankfort sei!
Wer möchte schon so wohnen: Das Haus hat viele Stufen, aber keinen Aufzug.Die Feuerleiter ist an der Außenwand, die Mülltonnen dagegen dürfen nur drinnen im Flur aufgestellt werden. Genügend Licht gibt es nur in den oberen Räumen. Die Aussicht ist gleich null, weil das nächste Haus lediglich einen Steinwurf entfernt ist. Und obendrein gibt es zur Belohnung noch jede Menge bürokratischer Vorschriften.
Ein Alptraum? Nein, ein Traum für viele Frankfurter, die eines dieser putzigen Häuser für sehr viel Geld erworben haben. Es waren so viele, die unbedingt mittelalterlich wohnen wollten, dass die teuren Unikate ausgelost werden mussten. Ex-OB Petra Roth hatte Glück, Bankier Metzeler nicht. Bald werden sie sich dort tummeln, in Rufnähe zum Römer, zum Dom und zur Schirn. Noch aber haben Handwerker und knipsende Touristen die neueste mittelaltliche Altstadt der Welt für sich. Und die ist schon jetzt im quasi noch unbewohnten Zustand, ein Publikumsliebling für Besucher aus allen Kontinenten. Am 28. September aber wird sie nun offiziell eingeweiht und ein Hauch Mittelalter wird unweit der Bankentürme einziehen.
Das neue, alte Viertel ist nicht unumstritten, war es seit Beginn der Planung nicht. Disneyland für Nostalgiker, schimpfen die einen. Tolle architektonische Leistungen und ein Stück wiedererlangter alter Kultur loben die anderen.
Unbestritten ist: Die 15 Häuser sind schon jetzt weltweit berühmt. Führungen finden im Fünf-Minutentakt statt. Die Häuser mit so schönen Namen wie „Zum Lämmchen“ , „Goldene Waage“ oder „Tante Melber“ dürften sich 2018 als Top- Fotomotiv mausern, ähnlich dem Schloss Neuschwanstein. Doch wie kam es, dass ein solch ungewöhnliches Projekt in relativ kurzer Zeit realisiert werden konnte?
Adele Daily hatte sich früh um eine Führung bemnüht und den überaus kompetenten Kunsthistoriker Thomas Huth gewonnen. Das Angebot war schnell ausgebucht, genauso wie die beiden weiteren Führungen der Aka zum gleichen Thema, die im September stattfinden. Und so folgten 20 Aka-Mitglieder gespannt den Ausführungen des Stadtführers, der Historisches und Aktuelles, Kunst und Alltagsklatsch, Politisches und Mundartliches auf gekonnte Weise miteinander verwob – und das zwei Stunden lang, die in Windeseile vergingen.
Dass alles eigentlich ganz anders geplant war, erfuhren die Darmstädter gleich zu Beignn der Führung. Nicht nur die Nazis wollten die verwinkelte Altstadt abreißen, um Raum für ihre Vorstellungen von Prachtstraßen und entsprechenden Prunkgebäuden zu bauen. Auch die Politiker der 50er und 60er Jahre sahen in der total zerbombten Stadt am Main hauptsächlich die Chance, eine autogerechte Metropole mit vielen Schnellstraßen zu schaffen . Anfang der 70er Jahre entstand dann das „Technische Rathaus“, ein riesiges Betonmonster, darunter – auf dem ansonsten unbebauten Areal vor dem Römer – passend eine Tiefgarage samt U-Bahnhof.
Doch im Laufe der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts fand ein Umdenken statt. Und schließlich wurde ab 2005 der Ruf nach einem Abriss des ungeliebten Technischen Rathauses und die Forderung nach einer Bebauung nach historischem Vorbild laut. Und – oh Wunder – diesmal ging alles relativ schnell. Nach einigem Hin und Her, zahllosen Debatten, Bürgerinitiativen pro und contra fiel schließlich der Startschuss. Der Betonklotz musste weichen und die Rekonstruktion der alten Schmuckstücke begannn. In nur 5 Jahren waren alle 15 Häuser fertiggestellt, originalgetreu, aber mit modernen Materialien.
Die Eigentümer, die dort jetzt residieren, werden allerdings nicht alle Attraktionen der vergangenen Zeiten erleben können. Beispielsweise dürfte es schwer fallen, die Fenster zu vermieten. Das war zu Zeiten der 16 römisch-deutschen Kaiser- und Königskrönungen nämlich ein lukratives Geschäft, von dem man gut leben konnte. Den „Krönungsweg“ freilich gibt es noch, es ist ein eher unscheinbarer Pfad.
Den ungekrönten König von Frankfurt jedoch kann man weiter bewundern, als Denkmal auf dem Hühnermarkt im Zentrum des neuen Viertels. Es ist Friedrich Stoltze, der Dichter, Satiriker, Vater und insgesamt 12 Kindern und zeitlebens augenzwinkernder Frankfurt-Verehrer. Sein berühmtestes Gedicht steht am Anfang dieses Textes.
Text: Heidrun Bleeck / Fotos: Kurt Komp