„Der Mainstream hat nichts mehr mit Willkommenskultur zu tun“ so der Referent Ferdinand Georgen bei einem äußerst interessanten Vortrag im Vortragsraum der Aka55plus. Herr Georgen war 30 Jahre Richter am Verwaltungsgericht Wiesbaden und war mit vielen Asylverfahren befasst. Er engagiert sich im Wiesbadener Flüchtlingsrat, arbeitet zusammen mit Pro Asyl und gehört dem Forum Abschiebungsbeobachtung Flughafen Frankfurt (FAFF) an. Abschiebungsmaßnahmen werden von FAFF beobachtet und es wird darüber berichtet.

Viel gefährliches Halbwissen und schnell getroffene Vorurteile bestimmen die Diskussion um Flucht, Asyl und Migration in Deutschland, so Ferdinand Georgen. Massive Fluchtbewegungen gab es in der Geschichte immer wieder - weltweit. Aber nicht jeder, der fliehen muss, kommt nach Deutschland. In fast jedem siebten Land der Erde herrscht Krieg. Es gibt eine große Migration innerhalb dieser Länder und auch in die Nachbarländer. Wie sieht die rechtliche Situation von Flüchtlingen in Deutschland tatsächlich aus?

Entscheidungsbehörde in Asylverfahren ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Es gehört zum Innenministerium.

Das Asylrecht basiert auf Art 16a unseres Grundgesetzes. Georgen erläuterte, was das bedeutet. Politisch verfolgt heißt Zugehörigkeit zu einer politischen, aber auch zu einer sozialen Gruppe, z.B. Homosexuelle. Hinzu kommen der Flüchtlingsschutz gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention und der internationale subsidiäre Schutz gegenüber einer Abschiebung, falls dem Flüchtling im Herkunftsland Folter oder Tod drohen. Das verwaltungsrechtliche Verfahren ist im Asylverfahrensgesetz geregelt. Bei ablehnender Entscheidung erfolgt eine Ausreiseaufforderung mit der Bestimmung des Zielstaates. Das Aufenthaltsgesetz regelt die Abschiebung bei Nicht-Anerkennung.

Zu beklagen ist die Länge der Verfahren. Von den in Deutschland abgeschlossenen Asylverfahren dauerten 2012 46% bis zu 6 Monaten, 32% bis zu 24 Monaten und 22% mehr als 24 Monate. Die Wartezeiten sind aber seitdem mit Sicherheit nicht kürzer geworden.

Sehr anschaulich schilderte Herr Georgen interessante Fälle aus der Praxis. Er legte als Richter immer großen Wert darauf, die Situation der Flüchtlinge und ihren kulturellen Hintergrund korrekt beurteilen zu können. Um Informationen aus erster Hand zu bekommen, besuchte er viele betroffene Länder und stand in Verbindung mit nationalen Behörden und internationalen Organisationen wie dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, Amnesty International und der IOWD (International Organisation for Women und Development). Dort werden Medienberichte aus aller Welt aktuell gesammelt und veröffentlicht. Ferdinand Georgen betonte die Notwendigkeit, dass die Anwälte, die Flüchtlinge vertreten, sich intensiv informieren (nicht nur über das Herkunftsland) und engagiert einsetzen. Beim Verwaltungsgericht entscheidet in der Regel ein Einzelrichter, keine Kammer. Georgen sieht das n Asylrecht in einigen Punkten von Zynismus begleitet, z.B. beim Familiennachzug oder der Definition von Folter.

2017 kamen die meisten Flüchtlinge aus Syrien, dem Irak und Afghanistan. Fast die Hälfte aller Erstanträge auf Asyl 2017 entfielen auf diese drei Staatsangehörigkeiten. Die Anerkennungsquote aller Asylsuchenden (nach GG§ 16a, Genfer Konvention, subsidiärer Schutz, Abschiebungsverbot) liegt für alle Staatsangehörigkeiten zusammen derzeit bei 45%. Und nicht wie mancher Politiker verbreitet bei 4%. Mit Lügen sollen bestimmte Stimmungen bedient werden.

Ferdinand Georgen betont, dass er keinen massenhaften Asylmissbrauch erkennen kann. „Die derzeitige Flüchtlingssituation ist zu bewältigen“ ist Georgen überzeugt. Die weitere Entwicklung setze jedoch – zumindest – ein europäisches Engagement zur effektiven Unterstützung der Flüchtlingslager in den Nachbarstaaten insbesondere Syriens voraus. Georgen: „Es werden keine Fluchtursachen bekämpft, sondern nur die Flüchtlinge. Aufnahme und Verteilung von Flüchtlingen erfordert ein solidarisches europäisches Verhalten.“ 

Sigrid Geisen