Vortrag bei der Akademie55plus über ein Betätigungsfeld für Menschen, die ihr Wissen weitergeben wollen.
Neue Besen kehren gut, lautet ein Sprichwort, aber nur die alten Besen kennen auch die Ecken. Der Erfahrungsschatz der „alten Besen“ ist zu kostbar, um ihn im Ruhestand brach liegen zu lassen. Nach seiner Pensionierung hat der Gymnasiallehrer Dietrich Voigt (70) einen Weg gefunden, um sein Wissen an Jüngere weiterzugeben.
Darüber sprach er bei der Akademie 55plus unter dem Motto: „Zukunft braucht Erfahrung – Was haben Sie in Zukunft vor?“
Leute wie er, die bereit sind, ehrenamtlich tätig zu sein, sind beim Senior Experten Service (SES), einer Stiftung der deutschen Wirtschaft, an der richtigen Adresse. Als Regionalkoordinator der Initiative VerA (Verhinderung von Ausbildungsabbrüchen) bringt Voigt ehrenamtliche Ausbildungsbegleiter mit Auszubildenden zusammen, die ihre Lehre nur mit Unterstützung zu Ende bringen können. In der Regel ist es eine eins zu eins Betreuung. Voigt selbst fördert zwei Berufsschüler in Physik, Mathematik und Elektrotechnik. Achtzig Prozent der Betreuten schaffen die Gesellenprüfung, berichtete er stolz.
Die jungen Leute mit Lern- oder Deutschschwierigkeiten werden dem SES mit Sitz in Bonn in der Regel von Berufsschulen oder auch Firmen gemeldet. Mit Voigts Hilfe hat es ein dreißigjähriger Deutschamerikaner nach 3,5 Jahren geschafft, eine gute Arbeitsstelle zu finden. Zwei Jahre engagierte der ehemalige Lehrer sich für eine Afghanin, die heute als Erzieherin arbeitet und nicht mehr auf Hartz IV angewiesen ist. Dass eine Integration nicht immer gelingt, hängt allerdings auch mit der Gesetzeslage zusammen. Der Referent erzählte von einem Tunesier mit Spezialwissen, den eine Firma gerne einstellen wollte, der aber keine Arbeitserlaubnis bekommt.
Jeder vierte Auszubildende beendet die Ausbildung vorzeitig. Aber oft bringt die Begleitung durch einen Seniorexperten die Wende. Für diese Aufgabe stellen sich Lehrer, Handwerksmeister, Krankenschwestern, Rechtsanwälte oder auch Diplom-Ingenieure zur Verfügung. Im Bezirk Südhessen werden zurzeit 75 junge Leute betreut, in Darmstadt etwa 20. Seit 2012 wurden in der Region rund 200 Fälle bearbeitet. Die Senioren vermitteln Fachtheorie, helfen bei der Vorbereitung von Prüfungen, gehen auf sprachliche Defizite ein und kontrollieren die Berichtshefte. Sie treffen sich mit ihren Schützlingen an neutralen Orten, nur in Ausnahmefällen auch einmal privat. „Es ist anstrengend, aber wenn man Erfolg hat, auch sehr befriedigend“, sagt Voigt.
Geduld haben, zuhören können und manchmal auch Grenzen setzen – das sollten alle mitbringen, die bei VerA mitmachen wollen. „Ich lerne laufend dazu“, sagte eine ehrenamtliche VerA-Mitarbeiterin bei der Aka-Veranstaltung. „Ich kenne jetzt Familiengebräuche aus verschiedenen Ländern und werde zu Hochzeiten und Geburtstagen eingeladen“. (Internet: www.vera.ses-bonn.de, E-Mail:
Petra Neumann-Prystaj