Dr. Dietmar Kaufmann, der seit langem an der Universität Ulm im Bereich Humangenetik forscht, ist es gelungen, die Zuhörerschaft bei der Aka 55plus mit einem komplexen Thema zu fesseln.
Leben ist Wachstum und Zellerneuerung. Allerdings gibt es dafür einen natürlichen Wachstumsstopp. Wird dieser Stopp durch Mutation ausgehebelt, dann finden ungebremste Wachstumsprozesse statt, ein Tumor entsteht. Erlangen die Zellen die Fähigkeit, über ihren natürlichen Ort hinauszuwachsen, spricht man von Metastasen.
Um ungehemmt wachsen zu können müssen weiterhin sämtliche natürliche Abwehrmechanismen des Körpers ausgeschaltet werden. Ist dies auch der Fall, wächst der Tumor bis zur Letalität des Wirtes.
Zufällige Zellmutationen – Fehlentwicklungen von Zellen - sind weitaus häufiger Ausgangspunkt für einen Tumor als beeinflussbare Umweltfaktoren oder Vererbung.
Lungenkrebserkrankungen sind im Zeitraum 1930 – 1990 insbesondere bei Männern stark angestiegen. Hier kann ein Zusammenhang mit der Zunahme von Rauchen angenommen werden.. Brustkrebs bei Frauen und Prostatakrebs bei Männern sind kaum beeinflussbar und im angegebenen Zeitraum etwa gleich geblieben. Zurückgegangen ist die Anzahl der Magentumore, was der verstärkten Lebensmittelkontrolle und Sensibilität gegenüber Schadstoffen wie Schimmel zu verdanken ist.
Fand die Zellveränderung bereits in der befruchteten Eizelle statt, so wird die Veranlagung für Brustkrebs vererbt. In einem solchen Fall tritt der Tumor oft schon in jüngeren Jahren auf und an beiden Brüsten. 5%-10% der an Brustkrebs erkrankten Frauen sind hiervon betroffen.
Ziel der Medizin ist die Heilung: Einen Tumor, der sich nicht über einen bestimmten Ort ausgebreitet hat, wird man z.B. chirurgisch restlos entfernen, einen wandernden Tumor wird man medikamentös stoppen und zur Rückbildung anregen. Gegen den durch Viren erzeugten Tumor am Gebärmutterhals wurde inzwischen eine Impfung entwickelt.
Leben ist Altern. Jedes Lebewesen altert. Der Alterungsprozess tritt mit Beginn des Lebens ein. Alte Zellen können sich nicht mehr teilen und sind dysfunktional – aber keineswegs untätig. Sie produzieren Hormone, die die umliegenden Zellen irritieren. Im Tierversuch hat man Mäusen die alten Zellen mittels Genschere entfernt, was dazu führte, dass die Zellen durch neue ersetzt wurden und wieder an der Reproduktion des Organismus teilnahmen. Durch eine genetische Veränderung wurde die Lebenspanne von Mäusen mehr als verdoppelt.
Ziel ist es jetzt, auch das Leben der Menschen zu verlängern. Allerdings soll das u.a. mit Hilfe von Medikamenten geschehen. Momentan werden Medikamente, sogenannte Senolytika, erprobt, die alte Zellen eliminieren und somit das Leben verlängern sollen.
Die Medizin ist auf dem Weg, so Kaufmann, Altern als Krankheit zu definieren, die behandelt werden muss. Ein deutliches Zeichen für unsere Schwierigkeit, mit dem normalen Alterungsprozess umzugehen.
Margret Wendling