Werner Bach (70) stellt seine Mammutwanderungen vor
„70 ist das neue 50“ verkündete Moderatorin Petra Neumann-Prystaj. Dieser Siebzigjährige allerdings dürfte in der Disziplin Ausdauer die meisten Jüngeren weit hinter sich lassen. Über 10.000 km ist er schon gewandert, demnächst kommen noch mal schlappe 3.200 dazu. Denn Werner Bach hat „Deutschland im Fadenkreuz“ geplant. Dem staunenden Publikum im überfüllten Vortragsraum der Akademie 55plus stellte er sein neuestes Projekt „Von West nach Ost und „Nord nach Süd“ vor, wobei die „Highlights“ der fünfmonatigen Wanderschaft, seine „Sehnsuchtsorte“, durchaus originell sind.
Der Wandersmann – verheiratet mit einer Japanerin und Opa von fünf Enkelkindern - war Ingenieur und Softwareentwickler und nach eigener Aussage ein „Couchpotato“, ehe er 2009 zum ersten Mal eine große Tour auf Schusters Rappen unternahm. Von Eberstadt aus ging es geradewegs zum Jakobsweg: Die Bergstraße entlang, im Schwarzwald bis Basel, über den Jura nach Bern, schließlich nach Lausanne und Genf, dann durch Frankreich und über die Pyrenäen auf dem Camino Francés bis nach Santiago de Compostela. Es waren etwa 2.700 km oder aber 4,3 Millionen Schritte. Unterwegs war er 111 Tage, schleppte einen Rucksack von 17 Kilo, verschliss zwei Paar Wanderschuhe, schoss etwa 3.900 Fotos und verlor 10 kg Gewicht und 10 cm Bauchumfang.
Ein Jahr später reizte ihn die Tour erneut, allerdings verkürzte er sie diesmal und startete in Sevilla. Ab da waren es dann „nur“ noch 41 Tagesetappen.
2013 beschloss er dann, die Heimat per pedes zu entdecken. Er wollte „seine Vergangenheit ablaufen“, ferne Verwandte, alte Freunde und Weggefährten besuchen. Am ersten Tag ging es im Schnee nach Frankfurt, wo er vor den Toren der Messe landete und bei den chic gekleideten Besuchern mit dem inzwischen vereisten Bart auf Verwunderung stieß. Er besuchte die Lieblingstante bei Limburg, den Freund in Köln, übernachtete im Zelt in einer Gärtnerei am Friedhof, schlief in den Dünen bei Ahrenshoop in der Nähe des Nationalparks Vorpommersche Boddenlandschaft, spazierte durch München und erwischte in der Vorweihnachtszeit das letzte geöffnete Zimmer an der Mosel. Und bereute nicht an einem einzigen Tag, diese Strapazen auf sich genommen zu haben. Er genießt es, allein zu wandern, sich an der Natur zu erfreuen, neue Menschen kennenzulernen und abends auf seiner Webseite über die Ereignisse des Tages zu berichten.
Jetzt also, 6 Jahre später, soll es wieder darum gehen, Deutschland zu erkunden. Erstmal von links nach rechts und danach von oben nach unten. Also einmal rundherum. Wie das? Es gibt da zwei spezielle Wanderwege, die es Werner Bach ganz besonders angetan haben:
- Der Wanderweg der Deutschen Einheit: Er führt von Aachen, der westlichsten Großstadt, nach Görlitz, dem östlichsten Pendant an der polnischen Grenze.
- Das grüne Band: Entlang der Demarkationslinie an der ehemaligen innerdeutschen Grenze. Dieser Weg reicht von Priwall an der Ostsee bis zum ehemaligen Dreiländereck bei Hof in Oberfranken.
In den fünf Monaten will der Senior einige Superlativ-Orte besuchen (und natürlich für seine Fangemeinde im Internet genau beschreiben. Diese geografischen Extrempunkte sind z.B.
- der nördlichste Punkt (der Ellenbogen von List auf Sylt)
- die südlichste Stadt (Sonthofen)
Während wärmste, kälteste, höchste und tiefste Punkte relativ genau bestimmt werden können, tun sich die Wissenschaftler mit dem geheimnisvollen „Mittelpunkt“ schwer. Wo ist der denn nun in Deutschland? Vor der Wende lag er im Vogelsbergkreis in Hessen, inzwischen hat er sich verschoben. Es gibt mindestens acht Orte, die den Ruhmestitel für sich beanspruchen, sie liegen alle an der Grenze von Thüringen zu Niedersachsen.
Übrigens: Der Mittelpunkt der EU liegt zurzeit im Landkreis Aschaffenburg, nach dem Brexit wird er sich nach Veitshöchheim bei Würzburg verschieben. Aber das alles ist, wie gesagt, nicht unumstritten, wird aber den Wanderer aus Eberstadt sicher weiter beschäftigen. Den höchsten Punkt – die Zugspitze – will er übrigens auch erklimmen. Da muss er dann aber mal vorher kurz den Zug nehmen und ins heimatliche Darmstadt fahren, um die Ausstattung auszutauschen.
Überhaupt die Ausstattung: Im letzten Teil der spannenden Veranstaltung wollte Petra Neumann-Prystaj es ganz genau wissen:
- Hat er sich schon mal verlaufen? „Ständig“.
- Wie bereitet er sich vor? Er lässt sich vom Arzt durchchecken, trainiert zweimal wöchentlich beim Lauftreff in Eberstadt, läuft am Sonntag den steilen Weg zum Frankenstein hoch, steigert die Anforderungen allmählich.
- Was kommt in den Rucksack? Nicht mehr als 16 Kilo, ganz wichtig sind Laptop, Kamera, Handy, Ladegeräte.
- Wie und wo wäscht er seine Sachen? Er hat eine Leine dabei, wäscht im Waschbecken, rollt die Sachen in ein Handtuch, trampelt drauf rum – das beschleunigt den Trocknervorgang - und hängt sie an der Leine im Zimmer auf.
- Was passiert, wenn die Schuhe nass werden? Er stopft sie mehrmals mit Papier aus. Die Einlagen müssen öfter ausgetauscht werden. Nach etwa 1.400 Kilometern lässt er sich ein neues Paar schicken.
- Welche Pullover trägt er? Solche aus Merinowolle, die ist warm und müffelt nicht so sehr.
- Hat er manchmal Sehnsucht nach zu Hause und möchte aufgeben? Nein, er genießt jeden Tag der Wanderschaft. Nur einmal gab es ein großes Problem mit einer eingewachsenen Warze am Fuß.
- Hat er gefährliche Situationen erlebt? Nein, alle Menschen waren nett zu ihm. Nur einmal war es gefährlich, als er sich verlaufen hatte und auf einer Straße in der Nähe der Autobahn marschierte und fast umgefahren wurde.
- Hatte er gesundheitliche Probleme? Nur einmal eine schwere Erkältung. Da er schon dreimal Herzflimmern hatte, führt er eine Kapsel mit Medikamenten mit.
- Woher bekommt er ein Zimmer für die Nacht? Er recherchiert am Vorabend im Internet und sucht v.a. nach Jugendherbergen und Privatzimmern. Er versucht, so einfach wie möglich zu leben und hat auch schon mal im Heu übernachtet
Und was macht er dann am Abend? Fällt er todmüde ins Bett? Nein, da beginnt der Teil des Tages, der ihm offensichtlich genau so viel Spaß macht wie das Wandern: Er setzt sich ans Notebook, protokolliert das Tagesgeschehen, lädt die Bilder hoch und beantwortet die Emails seiner „Follower“. Inzwischen dürften noch einige dazu gekommen sein, denn die Aka-Mitglieder bestürmten ihn mit immer neuen Fragen.
Werner Bach ermuntert alle, ihn via Internet zu begleiten und seine Eindrücke mit ihm zu teilen. Ende April geht es los. Dann ist er unter dieser Adresse zu erreichen:
https://www.deutschland-zu-fuss.com
Vielleicht berichtet er uns dann im Wintersemester, wo er denn nun ist, der legendäre Mittelpunkt der EU. Bis dahin hat sich dann ja hoffentlich auch die Sache mit dem Brexit geklärt.
Text und Foto: Heidrun Bleeck