Von Admiral Nelson bis zur „Costa Concordia“: Vortrag über Schiffbruch und Strandung

Wie konnte es nur passieren, dass ein mit modernsten Navigationssystemen ausgerüstetes Kreuzfahrtschiff wie die Costa Concordia (Baujahr 2005) 2012 manövrierunfähig wurde? Die spektakulären Fotos des um 90 Grad gekippten Ozeanriesen vor der Küste der italienischen Insel Giglio und das feige Verhalten des Kapitäns sind bis heute unvergessen.

Anderthalb Jahre dauerte die Bergung des Wracks, die mehr Millionen verschlang, als der Bau des Schiffes gekostet hat.

Zu allen Zeiten gab es Schiffsunglücke, aber erst ab dem 16. Jahrhundert wurden sie dokumentiert. Hans-Rainer Hintner hatte für seinen gut gegliederten Vortrag bei der Aka Fotos von Segel-, Dampf- und Containerschiffen zusammengestellt, die auf offenem Meer untergegangen oder in Strandnähe aufgelaufen und zerborsten sind.

2015 habe es weltweit 2.500 Schiffsunglücke gegeben, davon 85 Totalverluste, sagte der Referent. Dies sei uns nur nicht bewusst, weil sich die meisten im südostasiatischen Raum zugetragen haben.

Das englische Passagierschiff Lusitania schrieb Weltgeschichte: Es wurde 1915 von einem deutschen U-Boot vor der Südküste Irlands versenkt. Über 1000 Menschen, darunter viele Amerikaner, fanden dabei den Tod, was die Vereinigten Staaten zur Teilnahme am Ersten Weltkrieg veranlasste. Aber handelte es sich wirklich um ein lupenreines Passagierschiff? Mit Schnellfeuergeschützen ausgestattet, war es so konstruiert, dass es in ein Kriegsschiff umgewandelt werden konnte. An Bord befanden sich Kisten mit Gewehrmunition. Ein Torpedo des deutschen U-Bootes löste zwar die erste Explosion aus. Die zweite aber ist wohl eine Kettenreaktion von Munition, Dampfkessel und Kohlenstaub gewesen.

Hintner unterschied zwischen den Begriffen Seenot – das Schiff ist noch schwimmfähig – und Schiffbruch, bei dem es aufgegeben werden muss. Daraus ergibt sich eine unterschiedliche juristische Beurteilung. Er schilderte, wie die Segelschiffe im 19. Jahrhundert allmählich von den Dampfschiffen verdrängt wurden. Segelschiffe haben den Nachteil, dass sie mehr Besatzungsmitglieder, darunter auch Segelmacher und Schreiner, brauchen. Allerdings steht der Wind auf ihrer Seite, denn der weht fast immer, während ein Dampfer ohne Kohle zum Spielball der Wellen wird. Eine Zeitlang gab es Mischformen, die die Vorteile beider Schiffstypen vereinten.

SMS Gneisenau, Wilhelm Gustloff, Flying Enterprise, Pamir, Titanic, Andrea Doria, Dona Paz, Exxon Valdez, Estonia, Scandinavian Star, Costa Concordia – jeder dieser Schiffsnamen ist mit einer Tragödie und Todesfällen verbunden. Ursache der Unfälle waren Materialschäden oder menschliches Versagen, darunter Verständigungsschwierigkeiten unter Besatzungsmitgliedern.

Früher war es üblich, gestorbene Passiere über Bord zu werfen. Doch es gab immer schon Ausnahmen: Der englische Seeheld Admiral Horatio Nelson wurde in einem Sherryfass nach England überführt, das mit Brandwein gefüllt war. Zur Ausstattung moderner Kreuzfahrtschiffe gehören heute ganz selbstverständlich Kühlräume für Leichen.

Der Vortrag endete versöhnlich. Wie beruhigend, dass das Seeamt grundsätzlich allen Unfallursachen nachgeht, damit Fehler künftig vermieden werden können. Elektronische Seekarten verbessern die Sicherheit auf stark befahrenen Seestraßen wie dem Ärmelkanal. Und wenn wirklich einmal Not am Mann ist, kann man sich auf die privat organisierte Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger verlassen. Sie sichert 3660 Kilometer Küstenlinie und hat schon über 80.000 Menschen aus Seenot gerettet oder aus lebensbedrohenden Situationen befreit.

Petra Neumann-Prystaj