„Pfungstadt ist älter als Darmstadt“, leitete Friedel Lausberg unseren Rundgang mit Informationen zur Geschichte der Stadt ein. Der Ort wurde schon 785 im Lorscher Codex erwähnt. Später zählte er zur Grafschaft Katzenelnbogen und danach zur Landgrafschaft Hessen.

Bedingt durch den nicht sehr fruchtbaren Sandboden war die Gegend weniger bäuerlich geprägt, sondern durch Handwerk und mehrere Mühlen entlang der Modau, die durch den Ort fließt. Mit der Industrialisierung kamen eine Krappfabrik (zur Herstellung roter Färberfarbe) und eine Ultramarinfabrik (für blaue Farbe) hinzu. Später folgten Fabrikationen von Zündhölzern, Zigarren und Ziegelsteinen.

Heute hat Pfungstadt ca. 25.000 Einwohner. In der Nähe des alten Rathauses, einem barocken Bau von 1614, liegt die alte Synagoge. Wir besuchten das Gebäude auf unserem Rundgang. Frau Dreesen, Sprecherin des Arbeitskreises Ehemalige Synagoge e. V., Pfungstadt, erläuterte uns die Geschichte der Synagoge (erbaut in den Jahren 1815 bis 1820) und vermittelte uns einige Einblicke zu jüdischen Gebräuchen. Früher lebte in Pfungstadt eine größere jüdische Gemeinde mit bis zu 260 Mitgliedern. Es gab eine jüdische Schule, an der Chaim Weizmann, der erste Staatspräsident Israels, ein Jahr unterrichtete. Die inmitten der Altstadt in der Hillgasse 8 angesiedelte Synagoge wurde in der Pogromnacht 1933 nur deshalb nicht abgebrannt, weil der benachbarte Bauer seinen gut gefüllten Kornspeicher verteidigte. Die Synagoge wurde aber geschändet und geplündert, alle jüdischen Gemeindemitglieder wurden deportiert. In der Folgezeit wurde das Gebäude als Lager- und Wohnhaus genutzt. Erst 1990 erwarb es die Stadt Pfungstadt und ließ es so weit möglich in den ursprünglichen Zustand zurückbauen. Eine nachträglich eingebaute Zwischendecke wurde entfernt und die Frauenempore wiederhergestellt.

Uns beeindruckte die erhaltene ultramarinblaue Sternendecke. Bei der Restaurierung wurden aber bewusst sichtbare Zeichen der letzten Nutzungen nicht vollständig beseitigt. Das „Kulturhaus ehemalige Synagoge“ wird heute für öffentliche Veranstaltungen genutzt, insbesondere auch durch den Arbeitskreis.

Anschließend liefen wir entlang der Modau zur Pfungstädter Brauerei, die sicher auch den Ort prägt. Im gegenüberliegenden Gasthof der Brauerei kehrten wir zur Mittagspause ein.

Danach besuchten wir die Büchnervilla (Uhlandstraße 20). Wilhelm Büchner, Bruder des Schriftstellers Georg Büchner, war als Fabrikant durch die Herstellung von synthetischem Ultramarin zu Reichtum gekommen und hatte sich ca. 1870 nahe der Fabrik (der ehemaligen Frankensteiner Mühle) ein herrschaftliches Haus gebaut, entworfen vom Darmstädter Architekten B. Harres. Auch dieses Gebäude hat eine facettenreiche Vergangenheit. Seit 1933 im Besitz der Stadt Pfungstadt wurde die Villa als Verwaltungsgebäude und nach dem Krieg als Wohnraum für sozial schwache Familien genutzt. Die Villa wurde dann aber umfangreich restauriert. Es gibt heute leider keine öffentlichen Besuchszeiten. Wir konnten mit Frau Dreesen, deren Verein sich auch für dieses Gebäude tatkräftig einsetzt, die Bel Étage im Hochparterre besichtigen. Die hohen Gesellschaftszimmer weisen prachtvolle Wand- und Deckendekorationen auf. Vom Wintergarten gelangt man in den Garten an der Modau. Diese Räume können seit 2010 für Veranstaltungen und Trauungen gemietet werden.

Wir haben in abwechslungsreichen Stunden viel über die sonst nicht so bekannte Nachbarstadt erfahren.

Text und Fotos: Christiane Schuchard-Ficher