Besuch in Bonn: Haus der Geschichte, Bundeskunsthalle und Orgelbauer
Die Idee war ausgesprochen gut: Drei Kursleiter (Mika Dietrich, Helmut Linke und Norbert Irgang) taten sich zusammen, mieteten einen großen Bus und fuhren mit gut 50 Aka-Mitgliedern in die ehemalige Bundeshauptstadt Bonn, wo sich ihre Wege jedoch zunächst mal trennten: Die ersten zog es in die Bundeskunsthalle, die zweite Gruppe ließ sich im „Haus der Geschichte“ auf Ereignisse im Nachkriegsdeutschland ein, das letzte Drittel schließlich wurde von einem Meister seines Faches in die Kunst des Orgelbaus eingeführt.
Auf der gemeinsamen Heimfahrt wurde dann noch ein Zwischenstop in der Mainzer St. Stephanskirche eingelegt, wo man die berühmten Chagall-Fenster bestaunte und sich sogar noch an einem kleinen Orgelkonzert erfreuen konnte.
Es war also alles bestens organisiert . Was allerdings nicht in der Zuständigkeit der Fachleiter lag, war das Wetter. Geplant war ein wonniger Maientag, stattdessen gab es Schnee im Hunsrück, Hagel vor den noch nicht geöffneten Museen und schließlich Blitz und Donner beim Mittagessen. So erstreckte sich der Spaziergang an der Rheinpromenade auf wenige Minuten, ehe wieder ein Platzregen einsetzte. Was aber offensichtlich die Aka-Reisenden nicht sonderlich aus der Ruhe brachte, denn die Kulturprogramme am Vormittag waren sehr eindrucksvoll gewesen und boten reichlich Gelegenheit zum Gedankenaustausch.
Das Haus der Geschichte
Das imposante Gebäude wurde 1994 von Bundeskanzler Helmut Kohl eröffnet und feiert in einem Monat seinen 25. Geburtstag. Von der Idee bis zur Fertigstellung hatte es rund 12 Jahre gedauert, in denen sich natürlich auch die Kosten kräftig erhöht hatten. Die Baukosten für das 22.000 qm große Gebäude betrugen übrigens 115 Millionen Mark (das sind ungefähr 58 Millionen Euro. Zum Vergleich: Das Nordbad in Darmstadt soll – zum gegenwärtigen Zeitpunkt – 43 Millionen kosten, das Schulzentrum Nord rund 100 Millionen.....) Für die Dauerausstellung, die wir besuchten, stehen rund 4.000 qm zur Verfügung, dazu kommen noch Wechselausstellungen zu den unterschiedlichsten Themen.
Die Dauerausstellung steht unter dem Motto „Geschichte erleben“. Und zwar die Geschichte Deutschlands nach 1945 – dies- und jeneits der Mauer - seit 30 Jahren nun endlich auch wieder ohne Mauer und „Zonengrenze“. Die Geschichte von BRD und DDR soll aber nicht nur unter historischen und politischen Aspekten gesehen werden. Immer wieder geht es auch um markante Ereignisse und Entwicklungen in der Alltags- und Kulturgeschichte. Für Museusmuffel dürfte es ein Alptraum sein, für Museumsfans hingegen das Paradies: Die Dauerausstellung enthält mehr als 7000 Ausstellungsstücke und 160 Medienstationen als Zeugnisse der Zeit vom Ende des Zweiten Weltkrieges bis zur neuen „Flüchtlingswelle“ ab dem Jahr 2015.
Wie das alles in 90 Minuten Führung unter einen Hut bringen? Unser Führer, ein junger Lehramtsstudent namens Lars Jansen, hatte eine geschickte Vorauswahl getroffen und einige markante Stationen in chronologischer Reihenfolge zusammengestellt. Los ging es im Jahr 1945, das auch die meisten der „Oldies“ wohl nur aus Erzählungen ihrer Eltern kennen. Nach Kriegsende war vor allem eins gefordert: Improvisieren, um zu überleben. In einer Vitrine waren die daraus entstandenen Produkte zu sehen: Eierbecher aus Handgranaten, Tassen aus einer Panzerfaustspitze, eine Vase aus einer Geschosshülse, ein Nudelsieb aus einem Stahlhelm oder eine Reibe aus einer alten Konservendose. An der Wand gegenüber hing das passende Plakat: „Wir wollen keine Kalorien, wir wollen Brot“. Da waren die amerikanischen Besatzer wenige Zeit später sehr hilfreich. Mit ihren Care-Paketen retteten sie viele Kinder in Schulen und Kindergärten vor dem größten Hunger mit ihren „Ami-Kalorien“.
Schon schnell drifteten der Westen und Osten Deutschlands auseinander. Während sich in der Westhälfte ersteVersuche in Richtung Demokratie zeigten, machte sich der sowjetische Einfluss auf die DDR schon bald bemerkbar, in der es weder freie Wahlen noch konträre Parteien gab. Da hatte der Westen das bessere Los gezogen, wobei allerdings auch hier die Alliierten scharf aufpassten, denn viele trauten dem Frieden nicht und waren nicht sicher, ob sie den Deutschen nach allem, was passiert war, trauen konnten, weshalb sie erstmal die Rüstungsindustrie verboten und unter dem Stichwort „re - education“ viel Aufklärungsabeit leisteten.
Die fünfziger Jahre standen im Westen im Zeichen des „Wirtschaftswunders“. Der Wiederaufbau der zerstörten Städte ging voran, Autos wurden gebaut, besonders beliebt der „Brezelfenster - VW.“ Es gab einen wirtschaftlichen Aufschwung, deutsche Erzeugnisse wurden in viele Länder exportiert und man konnte sich endlich wieder etwas leisten: Radios, Waschmaschinen, Kaffemaschinen, Kühlschränke. Die erste Eisdiele wurde 1955 in Hamburg eröffnet. Im „Giacomel“ nahe der Universität gab es plötzlich Eis, Espresso und Martini – ein ganz neues Lebensgefühl vor allem für die jungen Leute. Die älteren vergnügten sich derweil im Kino um die Ecke, das vor allem mit den beliebten Heimatfilmen Verkaufsrekorde einfuhr. Bundeskaanzler Adenauer sah diesen Aufschwung mit großer Genugtuung.
Im östlichen Teil Deutschlands hat sich in diesem Jahrzehnt vor allem die Jahreszalhl 1953 eingebrannt, genauer gesagt der 17. Juni, an dem zahlreiche Arbeiter, denen das Arbeitspensum ohne finanzielle Entschädigung erhöht werden sollte, protestierend auf die Straße gingen. Sie forderten freie Wahlen – und viele von ihnen bezahlten dafür mit ihrem Leben, denn aus den Panzern heraus wurde auf sie geschossen und der Aufstand blutig niedergeschlagen. Viele Menschen verließen die DDR – bis zum Bau der Mauer war das meist über die geteilte Stadt Berlin möglich. Danach war auch dieses Schlupfloch dicht. Die Ausstellung zeigt in vielen Bildern und Texten , wie die verzweifelten DdR-Bürger trotzdem immer wieder versuchten, ihren Staat zu verlassen . Zu Wasser, zu Lande und in der Luft. Oft leider mit tödlichen Folgen.
Weitere Stationen : Die Studentenrevolte der „Achtundsechziger“ und ihre Folgen, das Erstarken der „Grünen“, Willy Brandts neue Ostpolitik, die Montagsdemonstrationen in der DDR und schließlich der Mauerfall und die Wende, die einen besonders großen Raum einnehmen. Aus New York kommt ein verkohlter Stahlträger aus dem eingestürzten World Trade Center– Erinnerung an 9/11 .Das letzte Exponat schließlich stammt aus dem Jahr 2017: ein hölzernes Flüchtlingsboot, in dem 80 Menschen aus Lybien über das Mittelmeer geflohen sind, die zum Glück alle die gefährliche Flucht überlebten und vor der Küste Maltas in Sicherheit gebracht wurden.
Ganz zum Schluss dann der Verweis auf die Europäische Union: Nach all den schlimmen Ereignissen des 20. Jahrhunderts vielleicht ein Weg, wie künftige Generationen besser miteienander leben können. Die Anregungen und Erinnerungen aus dem Haus der Geschichte könnten dazu beitragen.
Text: Heidrun Bleeck / Fotos: Jürgen Sotscheck, Bernd Pfeffer