Es war eine neue Perspektive, die Helmut Linke als Vortrag darbot: Künstler einmal nicht von ihrem Werk aus zu betrachten, sondern aus dem Blickwinkel ihrer Paarbeziehung. Da es sich fast nur um Prominente handelte, hatte die Veranstaltung einen hohen Unterhaltungswert. Die Künstler kamen überwiegend aus der Malerei, so dass der Referent zu allen erwähnten Persönlichkeiten eindruckvolles Bildmaterial zeigen konnte.
Linke erklärte einleitend, dass die Paarbeziehungen, wie im ganz normalen Leben, sehr unterschiedliche Harmonieebenen aufwiesen und dass Turbulenzen, Streit und Trennungen oft eine Rolle gespielt haben.

Auch in dieser Hinsicht ragt Pablo Picasso (mit seinem Welt-Friedenssymbol Taube) aus den von Linke ausgewählten 12 Beziehungen heraus: Er war sieben Mal verheiratet. Zwei dieser Ehefrauen wurden genauer beschrieben: Dora Maar, Ehefrau Nr. 4, die ebenfalls sehr „wechselfreudige“ Malerin und Fotografin sowie die vielseitige Objektkünstlerin, Reiterin und Autorin Françoise Cilot („Mein Leben mit Picasso“), die bis zu ihrem 97. Lebensjahr in New York ein aktives Künstlerleben führen konnte.

Grenzwertig war es, Maria Sibylla Merian als Tochter des berühmtesten Kupferstechers seiner Zeit, Matthäus Merian (1593-1650), in diese Reihe aufzunehmen, denn als er starb war sie erst 3 Jahre alt. Jedenfalls hat sie das große Talent vom Vater geerbt und so gut weiterentwickelt, dass sie als Elfjährige die Kunst betrieb und bald danach vom Verkauf ihrer ersten Arbeiten leben konnte. Mit zunächst Tieren und Pflanzen und später wie der Vater mit Landschafts- und Städtebildern (darunter Heidelberg, Heppenheim u. a.) hat sie Werke von bleibendem Wert geschaffen, von denen eines der russische Zar erworben hat.

Camille Claudel wurde als Aktmalerin 1911 in USA fast ebenso berühmt wie ihr zunächst Lehrer, dann Partner Auguste Rodin, der Bildhauer. In Paris entstand die weltbekannte Plastik „Der Denker“. Ihr Vater pochte auf die Trennung von Rodin, was Camille nicht verkraften konnte und nach 30-jährigem Psychiatrieaufenthalt verstarb.

Das mexikanische Paar Diego Rivera und Frida Kahlo hinterließen auch den Ruf, ein außergewöhnliches Paar gewesen zu sein. Riveras kommunistische Weltanschauung wollte er durch längere Aufenthalte in Russland manifestieren. Sie wird als Autodidaktin berühmt und widmet 80 Prozent ihrer Bilder den langwierigen Krankheitsgeschichten infolge eines Unfalls, der mehrere Gipsbettaufenthalte nach sich zog. Beide gehen wiederholt fremd, was zu dramatischen Trennungen und Versöhnungen führte.

Zwei Paare haben es verstanden, glücklich miteinander zu leben und sich bei der Arbeit zu inspirieren: Der Deutsch-Franzose Hans Arp und seine Schweizer Ehefrau Sophie haben auch gemeinsame Arbeiten vorgelegt. Er hatte als Maler, Bildhauer und Dichter und sie als Textilkünstlerin Verbindung zu den „Blauen Reitern“ und waren Mitbegründer der Dada-Bewegung 1916 in Zürich. Der Bahnhofsplatz in Rolandseck gibt lebendige Zeugnisse ihrer Kunst.

Mit dem 1935 geborenen Christo und Jeanne Claude lernten wir an diesem Abend
das einzige noch lebende Paar bulgarischer Herkunft kennen, die nicht nur ihre weltweit geschätzten Verhüllungsprojekte gemeinsam entwerfen und planen, sondern auch als ein stets zufriedenes, glückliches Paar gelten, wenn sie durch alle Erdteile reisen und ihre großflächigen Verzauberungen organisieren.

Walter Schwebel