Der Fotograf Régis Bossu zu Gast bei „Aka im Gespräch“
Weltberühmt wurde sein Bild „der Bruderkuss“, das die sozialistischen „Brüder“ und Staatsmänner Breschnew und Honecker 1979 zeigt. 40 Jahre später stand nun der Fotograf des berühmten Schnappschusses im Literaturhaus und erzählte den Aka-Mitgliedern viele spannende Geschichten aus seinem Fotografenleben. Mittlerweile ist Régis Bossu im Ruhestand und hat Zeit, auf sein bewegtes Leben zurückzublicken.
Petra Neumann-Prystaj leitete ihn mit vielen detaillierten Fragen durch den Abend, sodass ein gelungenes Portrait eines ganz besonderen Zeitzeugen entstand.
Wobei es immer wieder Bilder – ausschließlich in schwarz-weiß – zu sehen gab, die in einem Ausstelllungskatalog erschienen sind.
Bossu ist Franzose und hat den charmanten Akzent beibehalten („Meine Fehlä sinn lustisch zu ören“). Seit vielen Jahren lebt er mit seiner deutschen Ehefrau Britta in Griesheim. Als Fotojournalist hat er die ganze Welt bereist und für namhafte Magazine gearbeitet. Paris Match, Stern, Spiegel, Times oder Newsweek: Sie alle veröffentlichten die Bilder eines Fotoreporters, der nie eine fotografische Ausbildung gemacht hatte.
Stattdessen fing er mit 16 Jahren in seiner Geburtsstadt Verdun bei der amerikanischen Army eine Ausbildung als Siebdrucker an. Als die Amerikaner sich aus Frankreich zurückzogen und ihre Basen in Deutschland ausweiteten, ging Bossu mit ihnen, und zwar nach Garmisch-Partenkirchen, obwohl er kein Deutsch und nur sehr wenig Englisch sprach. 1970 schließlich kam er als Laborant zur amerikanischen Zeitung „Stars and Stripes“ nach Griesheim, wo er schließlich ins Fotografenteam wechselte.
Viele eindringliche Bilder sind ihm gelungen, denn er war fast immer bei bewegenden zeitgeschichtlichen Momenten dabei. So zum Beispiel beim Fall der „Berlin Wall“, wo er Jugendliche in Siegerpose auf der schon halb zerstörten Mauer zeigt. Oder beim Tod des Ajatollah Khomeini, wo er die trauernde, fast tranceartige Masse von bärtigen Männern einfängt. Zugleich aber gibt es immer wieder „stille“ Bilder“ von alltäglichen Begebenheiten und alltäglichen Menschen. Und es gibt humorvolle Betrachtungen auf ein Deutschland, wie es Menschen, die aus anderen Ländern kommen, empfinden. Eines seiner Bilder hat es übrigens auf eine Briefmarke geschafft: Es war ein Portrait des Kanzlers Helmut Schmidt, das Bossu einmal gemacht und dann vergessen hatte.
Es gab in seinem Leben natürlich auch ernste, sogar lebensbedrohliche Momente. 1977 etwa, als er von Rebellen in Zaire festgenommen und 16 Tage ohne Kontakt zur Außenwelt eingesperrt wurde. Zusammen mit 20 Menschen habe er in einem etwa 10 qm großen Raum dort verbracht, ehe er das Land dann doch noch verlassen durfte. Gefährliche Situationen gab es oft. Die Frage, wie man die Fotos aus den Krisenregionen am besten raus schmuggeln konnte, wurde hingegen sehr oft pragmatisch gelöst: Die Filmrollen verschwanden in der Unterhose des Fotografen.
Über 40 Jahre hat er für seine französische Bildagentur Sygma gearbeitet. Anfang des Jahres bekam er nun die verdiente Ehrung: Die Frankfurter Leica-Galerie zeigte eine Auswahl seiner Bilder in der Ausstellung „Régis Bossu „More than just a kiss“. Die Ausstellung ist leider schon vorüber, den reich bebilderten Ausstellungskatalog aber kann man noch erwerben und sich an eine Zeit der Umbrüche erinnern, die wir ja alle selbst erlebt haben.
Heidrun Bleeck