Stefan Benz bei „Aka im Gespräch“ im Literaturhaus

stefan benz pepDeutschlands berühmtester Baumflüsterer, Peter Wohlleben, weilte just zur gleichen Zeit in Darmstadt. Sein Publikum dürfte zahlenmäßig die überschaubare Gruppe im Literaturhaus übertroffen haben. Ob die Waldfans allerdings den gleichen Spaß hatten wie die Zuhörer des Krimi-Newcomers Stefan Benz – das ist hier die Frage. Wobei wir frei nach Shakespeare beim Theater wären, denn darum dreht sich ja fast alles in diesem turbulenten Benz-Werk, das auf drei Bände angelegt ist.

Stefan Benz, „Kulturreporter“ beim Darmstädter Echo, hatte an diesem Abend ein Heimspiel, denn Aka-Moderatorin Petra Neumann-Prystaj kennt ihn aus ihrem langen Zeitungsleben schon mehr als drei Jahrzehnte. Sie betreute sozusagen seine allerersten Schritte, die er als 17jähriger Schülerpraktikant wagte. Nach dem Studium der Germanistik und Theaterwissenschaft kehrte er zurück ans Echo und begeisterte im Feuilleton seine Leser mit Sachkenntnis, fundierter Kritik, vor allem aber auch mit einer Fülle von witzigen Sprachspielen, die er in zahlreichen Glossen im „Echo-Eck“ zum Besten gab.

Seine „Theater“-Krimis“ sind folglich keine typischen Vertreter dieses Genres. Es gibt ja mittlerweile Darmstadt-Krimis zuhauf, und jedes Jahr erscheinen neue schauerliche Geschichten rund um Woog und Luisencenter, manche recht spannend, andere eher etwas bemüht. Allen gemeinsam ist ihr Lokalkolorit. Jeder Heiner mit Herz findet sich sofort zurecht, denn Straßen, Kirchen, Schulen, ja selbst Kneipen sind unschwer zu erkennen, werden meist sogar mit ihrem Klarnamen benannt.

In den Benz-Krimis ist das anders. Zwar hat jeder Leser sofort assoziativ seine Darmstadt-Momente, doch finden sich im Text lediglich Anspielungen. Man muss schon zwischen den Zeilen lesen und ein bisschen raten. Stefan Benz hat in einem Interview gesagt, das schönste Kompliment hätte ihm eine ältere Leserin gemacht, als sie behauptete, er sei genauso durchgeknallt wie sie selbst. Das Adjektiv könnte auch als Werbung für die Trilogie auf dem Klappentext stehen, denn irgendwie sind alle Figuren ziemlich durchgeknallt, die Theaterleute sowieso, aber auch die Zeitungsmacher und Kommunalpolitiker.

„Bühne frei für Blut, Wein und Gift“ beschreibt der Autor die wesentliche Essenz seines ersten Bandes „Theaterdurst“, während es im zweiten Teil „Theaterwut“ um „Blutige Dramen zwischen Fußballstadion und Wahlkampfarena“ geht. Dabei sind die skurrilen Lokalsatiren überaus strukturiert: Jeder Band besteht aus fünf Kapiteln, in denen fünf Premieren vorgestellt und fünf Spielplan-Lektionen erteilt werden. Und hier wird es selbst für gestresste Gymnasiasten interessant. Kritiker Beck hat für seinen Freund, den Polizeipräsidenten, einen besonderen Freundschaftsdienst entwickelt. Der möchte nämlich lieber die Sportschau im TV als die „Medea“ im Theater sehen. Um seiner Ehefrau das generelle Interesse zu bekunden, bekommt er einen Schnellkurs in moderner Interpretation. Wie er als Profi handeln würde? Stichworte: Gefährderansprache, Abschiebehaft, SEK als Unterstützung, Handschellen, psychologisches Gutachten... Mit diesen Begriffen kann schließlich jeder Netflix- Abonnent etwas anfangen.

Neben so viel „durchgeknallter Satire“ gab es dann aber immer wieder sehr aktuelle, ernste Themen, die die beiden Journalisten diskutierten. Petra Neumann-Prystaj berichtete von Erlebnissen aus der analogen Zeitungswelt. Benz konterte mit der modernen Entwicklung im neuen Jahrtausend, als die „digital natives“ das Ruder übernahmen. Seitdem bestehe ein ständiger Veränderungsdruck, absolute Aktualität sei gefordert, es sei ein Stressjob geworden.

Ob sich das Theater auch entsprechend verändert habe, wollte die Moderatorin wissen. Schließlich gebe es kaum noch eine Inszenierung ohne nackte Darsteller und ständige Provokationen. Wolle man damit ein junges Publikum gewinnen? Benz entgegnete, dass sich nach 1968 ein anderer Umgang mit Klassikern herausgebildet habe. Junge Menschen hätten heute andere Sehgewohnheiten, sie seien durch Serien trainiert im Rollentausch. Allerdings wünsche er sich, dass auch sie zumindest einmal erleben könnten, was sich der Autor ursprünglich gedacht hat.

Ob noch weitere Bücher folgen werden? Benz hat noch viele Ideen. Die Krimireihe ist Ende dieses Jahres abgeschlossen, aber er hat schon andere Pläne, jenseits des Krimi-Genres. Momentan suche er einen Verlag, denn die Beck-Geschichten hat er selbst verlegt. Wäre doch schön, wenn er sich voll und ganz auf das Schreiben der Stories konzentrieren und die sprudelnden Ideen zu Papier bringen könnte.

Das Publikum jedenfalls hatte einen Wunsch. Bitte mehr davon!

Text und Foto: Heidrun Bleeck