Ein Vortrag von Michael Rudolf Luft über gesellschaftliche Regeln

Kann ein IS-Kämpfer die Forderung von Immanuel Kant überhaupt verstehen? „Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könnte.“ In einfacheren Worten: Was ich nicht will, was man dir tu, das füg‘ auch keinem anderen zu. Nach seiner Glaubenslehre handelt der Kämpfer ja völlig richtig, wenn er „Ungläubige“ tötet. Nach unserer Auffassung ist er ein Mörder. Es kommt also immer auf die von der Moral geprägte Sichtweise an.

Wie soll man sich bei dem Zwickmühlen-Gedankenspiel Trolley-Problem entscheiden? Dabei geht es um die Frage, in welche Richtung ein Mensch die Weichen für eine herandonnernde, nicht zu stoppende Straßenbahn stellen soll. Gerät die Bahn auf das eine Gleis, wird sie einen Bauarbeiter töten, der sich gerade dort aufhält – auf dem anderen Gleis stehen aber fünf Personen. Soll man den einen für die fünf opfern?

Was ist Moral, und was ist Ethik? Schon bei der Definition der beiden Worte waren die Teilnehmer der Aka-Vortragsveranstaltung von Michael Rudolf Luft unsicher. Mit der Moral legitimieren Politiker meist ihre Entscheidungen in Konfliktfällen. Der Referent hält sie für hochproblematisch, weil die jeweilige gesellschaftliche Moralvorstellung - wie das Beispiel des IS-Kämpfers zeigt - die Wahrnehmung vorprägt. Moral signalisiere, was gut und was böse ist, begünstige Traditionsblindheit und irrationale Feindbilder und fördere die Vorverurteilung. Bei der Ethik dagegen gehe es darum, woran man sein Handeln orientieren soll. Menschliches Verhalten werde aus der Sicht des Betroffenen in Bezug auf fair und unfair überprüft. Ethik sei urteilsneutral, konfliktverhindernd, grenzoffen und frei von Weltanschauung.

Die Frage „Sind wir fair?“ sollte zur Orientierung dienen, meinte Michael Rudolf Luft. Beginnend mit dem Beispiel von Kindern, die eine geschenkte Tafel Schokolade ungerecht untereinander aufteilen, ging er auf den Konflikt zwischen der armen und der reichen Weltbevölkerung ein und wies mit einer Tabelle die Wechselwirkung von Vorteilsnahme und Benachteiligung nach. Mit Egoismus könne man sich kurzfristig Vorteile verschaffen, so seine Folgerung, die Auswirkung aber seien nachteilig für alle. Aber eigentlich wünschten sich alle nur - Fairness.

Petra Neumann-Prystaj