Mit jeder neuen Geliebten wechselte der Kunststil des spanischen Jahrhundertgenies: Ein aufschlussreicher Kunstvortrag von Helmut Linke

Als Pablo Picasso 1973 im Alter von 92 Jahren starb, hinterließ er 1900 Gemälde, 3200 Keramiken, 7000 Zeichnungen, 1200 Skulpturen und 20 000 Grafiken. In seinem Vortrag über den spanischen Maler im Aka-Vortragsraum konzentrierte sich Helmut Linke (Fachbereichsleiter für Kunst bei der Aka) auf die Wechselwirkung zwischen dem Jahrhundertgenie und seinen zahlreichen Partnerinnen. Linke hat ausgerechnet, dass Picasso 77 Jahre in Paar-Beziehungen lebte. Manchmal war eine Liebesbeziehung noch nicht abgeschlossen, als schon die nächste begann. Die längste dauerte 20 Jahre, die kürzeste drei Jahre. 

Wie alt waren die Frauen, als sich Picasso, der Mann mit den schwarzen, flinken Augen, für sie interessierte? Wie beeinflussten sie sein Schaffen? Drei von sieben waren selbst künstlerisch tätig, zwei hat er geheiratet, mit dreien hatte er Kinder. Linke erläuterte, wie Picassos Frauenwechsel  -  im Alter bevorzugte er deutlich jüngere Frauen - mit dem radikalen Wechsel seiner Darstellungsform einherging. Wenn seine Liebe noch frisch war, holte der Maler seiner Angebeteten die Sterne vom Himmel. Um so rüder kanzelte er sie  ab, wenn er ihrer überdrüssig wurde. Nur seine Kinder behandelte er mit väterlichem Stolz.

Mit Fernande Olivier, der ersten wichtigen Frau in seinem Leben, beginnt Picassos rosa Periode.  Während der Zeit  mit Eva Gouel widmet er sich dem Kubismus. Durch die russische Balletttänzerin Olga Khokhlova, seine erste Ehefrau, gewinnt er Einblicke in die Welt des Balletts, entwirft Bühnenbilder und Kostüme. In den acht  gemeinsamen Jahren mit Marie-Therese Walter entstehen surrealistische Bilder und Plastiken. Als er die Fotografin Dora Maar kennenlernt, gestaltet er das berühmte Bild Guernica als Reaktion auf die Zerstörung der gleichnamigen spanischen Stadt infolge des Luftangriffs der  deutschen Legion Condor. Dora Maar dokumentiert den Entstehungsprozess fotografisch.
 
Als er mit Françoise Gilot, heute 100 Jahre alt, zusammenlebt, stellte er Lithografien, Bronzen und Stierbilder her. Die Malerin und Grafikerin wagt es als einzige seiner Frauen, ihn zu verlassen. Deswegen ist er der Mutter seiner beiden jüngsten Kinder zeitlebens böse und rächt sich an ihr, indem er die Ausstellung ihrer Werke, zumindest in  Frankreich, verhinderte. 

Mit Jaqueline Roque, seiner zweiten und letzten Ehefrau, lebt er in Vallauris. Dort bemalt er Keramiken und entwickelt bis zu seinem Tod eine unbändige, geradezu manische Schaffenskraft. 
 
Wegen Picasso hat Frankreich sein Erbschaftssteuergesetz verändert. Da es kaum möglich war, den Wert seiner künstlerischen Hinterlassenschaft zu schätzen, durften die Nachkommen die Erbschaftssteuer in Form von Bildern abbezahlen.  Diese bilden nun den Grundstock der Sammlung des Museums Picasso in Paris.

Helmut Linke zeigte beeindruckende Beispiele für Picassos Ideenreichtum, seine Experimentierfreude und seine Begeisterung für Neues. „Er war ein Genie, aber ein herzloses“, brachte es Picassos Enkelin Marina auf den Punkt. Seine Frauen hätten dieser Beurteilung wohl  zugestimmt – die Kunstwelt aber wird ihn als Genie in Erinnerung behalten. 

Text und Fotos: Petra Neumann-Prystaj