CO-RO-NA heißt das Buch. Was wie ein Schlachtruf klingt, ist die Auseinandersetzung mit dem Thema Pandemie. Die Texte stammen allesamt aus den Federn hessischer Literaten und geben ganz persönliche Einblicke wieder. Das spannende Gespräch mit dem Schriftsteller und Herausgeber des aktuellen Buches, Paul Hermann Gruner, führte Petra Neumann-Prystaj, die stellvertretende Vorsitzende der Akademie 55plus.
Sie stellte den in Rüsselsheim geborenen Autor („In dieser Stadt wird man entweder Auto oder Autor“) vor. Er ist promovierter Politik- und Sprachwissenschaftler und bildender Künstler, war 20 Jahre lang Redakteur beim „Echo“, ist Mitglied des PEN, Geschäftsführer der „Gesellschaft Hessischer Literaturfreunde“, Gründer der Literaturgruppe „Poseidon“, Träger diverser Preise und Verfasser zahlreicher Publikationen.
Die Moderatorin wies in ihrer Einführung auf die vielen Einschränkungen und Verschiebungen hin, die Covid 19 in allen gesellschaftlichen Bereichen verursacht hat und fragte, wie Gruner auf die Idee mit dem Sammelband gekommen sei. Der Herausgeber schilderte die Situation anno 2020: Es waren wie immer viele Kunstausstellungen, Lesungen und andere kulturelle Veranstaltungen anberaumt. Und plötzlich brach alles zusammen. Sämtliche Kultureinrichtungen wurden komplett geschlossen, es gab keinerlei öffentliche Events mehr. Gruner fand für sich eine Notlösung: Die vereinbarte Einführungsrede für eine Kunstausstellung wurde per Video eingespielt und in Endlosschleife abgespielt. Auch die 60-Jahrfeier der Gesellschaft der Hessischen Literaturfreunde fand digital statt. Damals kam ihm die Idee mit dem Erzählband. Er schrieb 20 hessische Kolleginnen und Kollegen an und bekam 18 zustimmende Antworten samt Skript. Den 19. Beitrag verfasste er dann selbst.
Von einigen Autoren gab es anschließend Leseproben. Gruner und Petra Neumann-Prystaj lasen abwechselnd Textstellen vor, die sie besonders beeindruckt hatten. Es begann mit Corona (!) Schmiele, die nicht nur so heißt, sondern tatsächlich mit der Krankheit zu kämpfen hatte und eindringlich die langwierigen Folgen – fünf Wochen schlimme Erfahrungen - beschreibt.
Stefan Benz, Echo-Lesern v.a. aus dem Feuilleton bestens bekannt, hat seiner Krimi-Trilogie über den Kritiker Justus Beck einen nagelneuen Corona-Text hinzugefügt. Er schildert eine „Pandemieperfomance“ im Darmstädter Theater, wo Tell Senior dem Sohn nicht einen Apfel von Kopf schießt, sondern ihm eine Zwangsimpfung verpasst. Urkomisch geschrieben, Satire vom Feinsten!
Sein Namensvetter, Peter Benz, ehemaliger Oberbürgermeister, bleibt der einst von ihm regierten Stadt treu und spannt unter dem Titel „Der Pensionär, die Stadt, das Virus“ einen großen Bogen von den Seuchen früherer Jahrhunderte geradewegs ins Darmstädter Rathaus, wo das kommunalpolitische Spitzenpersonal sich mit der Bewältigung der Corona-Herausforderungen herumschlägt. Ähnlichkeiten in puncto handelnde Personen sind gewollt und auch für Nicht-Heiner leicht zu erkennen.
Für Gruner übrigens war die lange Zeit im Lockdown eine durchaus kreative Zeit. Er konnte gut am Schreibtisch arbeiten, ohne Ablenkung, etwa sieben Stunden täglich. Nichts blieb auf Halde liegen, selbst das hier vorgestellte Buch entstand in unglaublicher Geschwindigkeit.
Über eins hat sich der Sprachwissenschaftler allerdings sehr geärgert: Die überfallartige Einwanderung englischer Begriffe ins Deutsche, die hier auch noch falsch übersetzt werden. So bedeutet das englische „home office“ im Mutterland „Innenministerium“. Im Deutschen…. na ja. Es gibt ein Dutzend neuer Wörter, über die er sich ärgert. Vermutlich sieht die junge Netflix-Generation das genau entgegengesetzt. Aber das wäre ein neues Thema, sicher auch spannend.
Im letzten Teil des inspirierenden Abends stellte Gruner noch sein Buch UHUGRAPHIEN vor, das er zum 65. Geburtstag des Künstlers Heinz W. Lotz entworfen hat. „Malen mit Klebstoff“ ist hier das Motto und herausgekommen sind bemerkenswerte Portraits, die allerdings nicht auf einen hohen Wiedererkennungswert abzielen, sondern die Lust am expressiven Augenblick spiegeln.
Text: Heidrun Bleeck, Foto: Gerald Block