Unsere 2. Vorsitzende bekommt den Preis der AWO Darmstadt
Es ist nicht der erste Preis, den unsere stellvertretende Aka-Vorsitzende, Petra Neumann-Prystaj, bekommen hat. Aber es ist die erste Auszeichnung speziell für ihr unermüdliches soziales Engagement, das sie in ihrer Tätigkeit als Redakteurin des Darmstädter Echos zeigte - 45 Jahre lang.
Aber auch drumherum und nach der Pensionierung war sie aktiv im Einsatz für die schwächeren Glieder unserer Gesellschaft, weshalb ihr nun die AWO Darmstadt den Elisabeth-Kern-Preis verlieh.
Elisabeth wer? Die Frage ist berechtigt, denn kaum ein Einwohner dieser Stadt dürfte auf Anhieb erklären können, wer diese Frau war. Michael Siebel, Vorsitzender der AWO , klärte auf: Sie gilt als Gründerin der Hilfsorganisation in Darmstadt und so war es 2019, zu deren 100jährigem Jubiläum eine gute Idee, an ihre Bedeutung durch eine Preisverleihung zu erinnern. Damals war es die Frauenbeauftrage (im Ruhestand) Kaj Fölster, die geehrt wurde, dann kam die lange Corona-Zeit - und mittendrin die AWO-Skandale, mit denen aber die Heinerstadt zum Glück nichts zu tun hatte. Jetzt also, mit einjähriger Verspätung, wurde der Preis zum zweiten Mal verliehen.
Dr. Hans-Joachim Landzettel, ehemaliger Kinderarzt und Jurymitglied, nannte drei Gründe für die Verleihung: 1. Elisabeth Kern habe viel geleistet und sei trotzdem mehr oder weniger vergessen. 2. Die Preisträgerin sei quasi die Idealbesetzung und 3. Elisabeth Kern war seine Großmutter und als solche einer der wichtigsten Menschen in seinem Leben. Er skizzierte das Leben dieser Frau aus einfachen Verhältnissen anschaulich und voller Zuneigung. Geboren wurde sie 1880 in Darmstadt. Nach einer schweren, entbehrungsreichen Kindheit konnte sie, obwohl sehr klug, wegen fehlender finanzieller Mittel keine weiterführende Schule besuchen und wurde stattdessen zur Schneiderin ausgebildet. Sie heiratete den Gewerkschafter Jakob Kern und wurde 1919 nach Einführung des Frauenwahlrechts eine der ersten weiblichen SPD-Stadtverordneten. Den Vorsitz der AWO hatte sie bis 1933. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten verlor sie alle politischen Ämter und das Ehepaar Kern wurde polizeilich überwacht. 1944 wurden beide verhaftet, ihr Ehemann wurde ins KZ Dachau deportiert und Elisabeth Kern ins Gefängnis in der Rundeturmstraße gesteckt. Sie kam Anfang September frei und starb in der Brandnacht am 11. September in ihrem Haus – beim Versuch, ein älteres Ehepaar zu retten. Sie sei, sagte Dr. Landzettel, immer eine wunderbare Bezugsperson voller Liebe und Güte gewesen.
Mit ihr, so die Jury, werde eine Frau gewürdigt, die bislang wenig historische Beachtung gefunden habe.
Dass man mit Petra Neumann-Prystaj eine würdige Preisträgerin gefunden habe, betonte ihr Laudator, Harald Pleines, ehemaliger Lokalchef beim Darmstädter Echo. Mit 20 Jahren habe sie im April 1968 als Volontärin angefangen und war von 1970 bis 2013 dort als Redakteurin angestellt. Die junge Volontärin kam in eine Männerwelt, es gab dort zunächst keine weibliche Verstärkung – bei 29 Redakteuren… Das änderte sich in den 70er Jahren allmählich, vier Jahre später hatte sich das Verhältnis leicht verschoben. Es stand 48:7 für die Herren der Schöpfung. Die Preisträgerin fand schnell ihren Platz, denn sie hatte eine unerschöpfliche Neugier auf Unbekanntes, auf Gespräche und menschliche Schicksale. Einer ihrer Schwerpunkte wurde deshalb der Bereich „Soziales“. Legendär war ihre Reportage über den Selbstversuch, einen Monat von Sozialhilfe zu leben. Ihre Arbeit fand weit über Darmstadt hinaus Interesse und wurde auch bald mit Auszeichnungen gewürdigt. Sie bekam vier Journalistenpreise.
Große Beachtung fanden auch ihr Engagement für die Stiftung „Menschen für Menschen“, - sie besuchte zweimal Karlheinz Böhms Projekte in Äthiopien - und ihre Medizin-Reportagen. „Es gibt wohl keinen Chefarzt in Darmstadt, der sie nicht in der Redaktion besucht hat“, so Pleines in Anspielung auf die Telefon-Sprechstunden für Leserinnen und Leser, die sie in Redaktionsräumen organisierte. Sie engagierte sich für ihre sterbenskranke Kollegin Annette Winter, für die sie Geld für einen elektrischen Rollstuhl (im Hospiz Wiesbaden-Erbenheim) sammelte. Mit ihrer Berichterstattung machte sie die Bedeutung eines Hospizes für Darmstadt bewusst.
Darüber hinaus haben ihre Bücher mit Darmstädter Kolorit viele Leser erfreut, deshalb attestierte der Laudator zum Schluss seiner Rede: „Sie haben eine würdige Preisträgerin gefunden.“
Das bestätigte sich, als die mit 2000 € Ausgezeichnete das Preisgeld sofort weiterreichte und dem Frauenhaus sowie dem Hospiz stiftete. In ihrer Dankesrede blitzte dann auch genau das auf, was sie so liebenswert macht: Optimismus, Phantasie, Neugier auf Menschen, Empathie und ein großes Herz. Sie sei nicht traurig, dass sie aufgrund ihrer Themen von einigen als „Sozialtante“ angesehen werde. Sie habe sich immer für Menschen in Notlagen interessiert und versucht, eine Lösung zu finden – auch außerhalb des journalistischen Alltags. Menschen am Rande der Gesellschaft seien nicht immer willkommen, gerade deshalb bräuchten sie Fürsprecher.
Text: Heidrun Bleeck
Foto: David Neumann