Durch Frankfurts neue Altstadt mit Frankfurter Sprüch‘ und Anekdoten
Wenn Ingrid Scheffler einen Aka-Ausflug nach Frankfurt vorbereitet, bestellt sie für die Stadtführung bevorzugt die Kunsthistorikerin und Historikerin Silke Wustmann, eine mit Humor und Schlagfertigkeit gesegnete Frankfurt-Expertin, der die gute Laune nie ausgeht. Bei der jüngsten Führung stellte Wustmann ihre Mundartspruchsammlung in den Mittelpunkt.
Die launigen Wortspiele beziehen sich auf die Stadtpolitik, das liebe Geld, Schmausen und Bechern und die Gegnerschaft von Frankfurt, Sachsenhausen und Offenbach.
Dank dem Stadtspaziergang mit ihr weiß die Aka-Gruppe nun, warum sich der Frankfurter Dialekt stark von dem Sachsenhäuser Dialekt unterscheidet. Er ist vom Französischen und Jidischen beeinflusst, während die Sprache, die in „dribderbach“ heimisch wurde, an die Wetterauer Mundart erinnert. Die Frankfurter trieben Handel im großen Stil, die Sachsenhäuser aber waren vorwiegend Bauern („mir sind zwar grob, aber wir maane es auch so“). Nur einmal im Jahr, am Wäldchestag, kamen die Bewohner der beiden Stadtteile im Stadtwald zusammen. Der Main, so die Stadtführerin, sei so trennend wie ein Ozean gewesen.
Viele Sprüche hat Silke Wustmann von ihrem Sachsenhäuser Nachbarn Alwin übernommen, einem Urfrankfurter, der seine Jugend in der Altstadt, dem Hort der Mundart, verbracht hatte. Manche Sprüche konnte die Aka-Gruppe leicht deuten, etwa: „En Vedder im Rat macht fünfe grad“ (Vetternwirtschaft). „Die Arbeit ist kaan Frosch, die hippt net fort“. Oder: „Wer de Neptun zum Vadder hat, kann leicht Admiral wern“. Bei anderen musste die Stadtführerin Erklärungen nachliefern. „Der will sich e rot Röckelche verdiene“ bedeutet, dass jemand ein Stadtarbeiter werden wollte. Stadtarbeiter trugen rote Uniformen.
Im Stadtparlament ertönt bis heute der Ordnungsruf „Ruhe im Hause Limpurg!“ Gemeint ist: „Klappe halten!“ Er geht zurück auf die Zeit, als sich im Hause Limpurg die Ratsherren trafen. Das Gebäude hieß so, weil dort die Wollenweber aus Limburg an der Lahn ihr Warenlager hatten. Daran erinnert eine Inschrift am Römer.
Ja, auch Frankfurt hat ein Motto, aber die wenigsten Bürger kennen es. Selbst OB Peter Feldmann nicht, erzählt Silke Wustmann, die ihn danach gefragt hatte. Dabei steht es gut lesbar auf einer Fassade des Römer-Komplexes: „Stark im Recht“. Die Erklärung: Frankfurt war ein Stadtstaat, und der Spruch unterstreicht, dass die Stadt eine eigene Gerichtsbarkeit hatte. Später wurde das Motto um den Halbsatz „...schwach im Gefecht“ erweitert. Denn im 14. Jahrhundert unterlagen die selbstbewussten Frankfurter bei einer kriegerischen Auseinandersetzung den Kronbergern – und ließen von da an nur noch Söldner für sich kämpfen. Das Geld, das sie für einen Rathausbau zurückgelegt hatten, musste für den Freikauf von Gefangenen ausgegeben werden. Deshalb wurde das Haus Römer zum provisorischen Rathaus erklärt und blieb es 600 Jahre lang bis heute - allerdings um ein Konglomerat aus elf Gebäuden erweitert.
In jeder Gasse der Frankfurter Altstadt war eine andere Zunft heimisch. Rund um das Schlachthaus in der Nähe des Mains siedelten sich die Metzger an, die ihre Ware aus dem Fenster heraus verkauften. Die hölzernen Fensterläden des als Schirn bezeichneten Verkaufsstandes wurden nach oben und unten so aufgeklappt, dass ein Dächlein und eine kleine Theke entstanden. Behauptete jemand „mei Worscht hat drei Zipfel“, war er schnell als Angeber überführt. „E Rippestickelche und kaan Brot dazu“ hieß es, wenn ein mittelloser Mann heiratete. Das Rippestickelche bezog sich auf die Legende von Eva, die Gott laut Bibel aus Adams Rippe erschaffen hat. Löcher im Brot wurden mit dem Spruch „da hat der Bäcker sei Fraa durchgejagt“ kommentiert. „Erst esse mehr, dann hessemer“ erinnert an einen gewissenen Herrn Hessemer, der mit seiner viel zu langen, langweiligen Rede eine hungrige Tischrunde auf die Folter spannen wollte, bis der Gastgeber energisch einschritt.
Die Alte Brücke, im Jahr 1222 erstmals erwähnt, war lange Zeit die einzige vor Mainz, die über den Main führte, und die daher als Herzstück einer wichtigen Handelsstraße galt. Darauf verkauften Krämer ihre Waren an die Reisenden. Einer von ihnen, der Perückenmacher Kraft, machte ein Bombengeschäft, weil er den Durchreisenden anbot, ihre Perücken von seinem Fenster aus mit Puder einzustäuben. Sozusagen „Puder to go.“
Mit Blick auf den Main erzählte Silke Wustmann von der grimmigen Feindschaft zwischen der ehemaligen freien Reichsstadt und Offenbach. „Krieh die Kränk, Offebach. Die Staa binde se an, aber die Hunde lasse se laufe“, hatte einst ein Frankfurter ausgerufen, als er bei einem Offenbach-Besuch von frei laufenden Hunden angefallen wurde und keine losen Steine fand, um sie zu verjagen. Die Offenbacher reagierten auf die „Kränk“ mit Humor – und beauftragten den Bildhauer Bonifatius Stirnberg, eine verschmitzte Skulpturengruppe rund um diese Anekdote zu gestalten. Sie steht – ausgerechnet! - in der Frankfurter Straße.
Der Aka-Ausflug endete typisch frankfurterisch bei Äppelwoi und Grüner Soße im „Bembel“ gegenüber dem Römer.
Petra Neumann-Prystaj